Weizen-Waldi vs. Lindenstraße

Gerade eben war ich dem Fußballzirkus gegenüber noch versöhnlich gestimmt – und nun das. Wann hat man so etwas schon erlebt? Und ich rede nicht vom 4:1-Sieg der Deutschen Nationalmannschaft gegen England. Ich rede davon, dass die ARD einfach die Lindenstraße ausfallen lässt, um Weizen-Waldi mit einem Box-Trainer und einem Schlagersänger Belanglosigkeiten über Fußball sprechen zu lassen. Als hätte es in den letzten und noch folgenden Tagen nicht noch ausreichend Gelegenheit dafür gehabt?

Das hat es in fünfundzwanzig Jahren Seriengeschichte nicht einmal bei Bundestagswahlen gegeben – und das war erst das Achtelfinale. Was soll passieren, wenn die Deutschland bis zum Endspiel vorrückt? Wird dann Anne Will ausfallen, die Tagesschau oder wird man gar Günther Jauch wieder absagen? So nicht, liebe ARD, dafür zahlen wir keine Gebühren!

Geklöppel am Morgen und Promillekørsel

[youtube 3ih9-uDgTWc geklöppel]

Gewöhnlich habe ich einen gesunden Schlaf. Heute jedoch erwache ich bereits um 4.30 Uhr. Es ist nicht nur das leidige Gezwitscher des Federviehs, das mich um meine Nachtruhe bringt. Heute kommt von irgendwoher ein dumpfes Geklöppel, das mich aus meinen süßen Träumen reißt. Es ist ein lautstarkes, regelmäßiges Geräusch, das einem Schlag auf eine große Trommel im Sekundentakt gleicht.

Spornstreichs nachtwandle ich auf meine Balkonage, um den Übeltäter auszumachen. Ich bemerke, dass es zu dieser Uhrzeit bereits fast taghell ist. Eine Erkenntnis, die mich überrascht – die Zeiten, in denen ich um 4.30 Uhr nach Hause gekommen bin, sind längst vorüber, ein Hang zur präsenilen Bettflucht ist noch nicht auszumachen. Ich lasse meinen Blick kreisen: Sollte in meiner näheren Umgebung, von mir unbemerkt, eine Galeerenschule ihre Tore geöffnet haben? Werden hier des Nachts Freiwillige für den Dienst in frühneuzeitlichen Ruderkriegsschiffen ausgebildet oder findet gar vor meiner Haustür eine Art verschärftes Höhentraining für die Ruder-Olympiamannschaft statt?

Das Rätsel bleibt ungelöst. Hilfslos und verzweifelt suche ich erneut mein Bett auf, während draußen das Geräusch in unveränderter Intensität andauert. Ich stelle mir das Geklöppel nun als meditatives Begleitgeräusch vor, das mich in den Schlaf zurück begleiten soll. Bevor sich meine Augen schließen, denke ich an Guido Knopp. Halt, Moment mal, etwa an den Guido Knopp, der uns im ZDF immer wieder stark vereinfacht und mit Hang zum Kitsch, Laienschauspiel und musikalischer Untermalung die dunklen Seiten der deutschen Geschichte erklärt? Ja, genau an den.

Beim Zappen stieß  gestern ich auf von ihm produzierte Dokumentation über die Königshäuser Europas. Gewöhnlich interessiert mich deren Schicksal ebenso wenig wie das der Fußballnationalmannschaft, doch verschaffte mir diese Sendung einen kurzen Moment des Glücks:

Kronprinz Frederik von Dänemark, der Sohn der in der Fernsehsendung als Märchenkönign bezeichneten Margrethe II., zog einst Negativschlagzeilen der dänischen Boulevardpresse auf sich, da er in alkoholisiertem Zustand ein Kraftfahrzeug betätigte, was auch im Land der Dänen nicht gern gesehen ist. So kam es, dass – nur für wenige Sekunden – die Titelseite eines solchen Blattes im ZDF zu sehen war. In großen Lettern stand dort geschrieben: „Promillekørsel …“

Was für ein wunderschönes Wort: Promillekørsel. Ich dachte immer und immer wieder an Promillekørsel und war bei diesem Gedanken hocherfreut über das neu gelernte Wort, das ich fortan hüten werde wie einen kleinen Schatz. Wie gern wäre man manchmal, insbesondere in schalflosen Nächten, ein Promillekørsel, dachte ich. Eine kurze Recherche ergab jedoch, dass man kein Promillekørsel ist, sondern eine Promillekørsel macht, auch gut. Promillekørsel, Promillekørsel, Promillekørsel. Von Glück beseelt, aber nüchtern, schlief ich sodann noch ein paar Stunden.

Wie Gottschalk zu ertragen ist

Frage:

Quelle: Spiegel Online

Antwort:

Gar nicht.

Wer lädt schon gern einen ehemaligen Grundschullehrer mit explodiertem Lockenkopf und Pumphosen in sein Wohnzimmer ein? Zudem auch noch einen, der nichts anderes tut, als dümmliche Witzchen abzusondern und seine Couchnachbarinnen zu begrabbeln?

Immerhin zehn Millionen Zuschauer fanden sich gestern Abend wieder, die gebannt vor der Mattscheibe auf eine neue Variation der allseits beliebten Baggerwette warteten: mit dem Bagger ein Feuerzeug anmachen, mit dem Bagger eine Bierflasche öffnen, mit dem Bagger eine Frau ausziehen, mit dem Bagger in der Nase bohren …

Neue Baggerwetten braucht das Land, denke ich mir und formuliere in meinem Kopf schon einmal ein paar neue Saalwetten:

  • Wetten, dass Uri Geller es schafft, einen zuvor durch die Kraft seiner Gedanken verbogenen Löffel mit Hilfe eines Bagger wieder zu begradigen und anschließend mit dem an die Schaufel des Baggers angebrachten Löffel aus einer Buchstabensuppe die passenden Buchstaben für den Satz „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ fischt?
  • Wetten, dass Bruce Darnell es schafft, mit einer an die Schaufel eines Baggers angebrachte Tätowiernadel eine Kandidatin seiner Show zu verschönern, indem er ihr die Worte „Drama, Baby“ in den Oberarm „der lebendige Handtasche“ tätowiert?
  • Wetten, dass Prof. Peter Dunemann, der geschäftsführende Direktor des Hygiene-Instituts des Ruhrgebietes, es schafft, mit einem Bagger Charlotte Roche die Achseln zu rasieren und sie anschließend mit einem Waschlappen zu waschen?

Erst wenn diese Wetten wahr werden, werdet Ihr sehen, dass „Wetten, dass…?“ in der deutschen Fernsehlandschaft unersetzlich ist. Spiegel Online findet schon heute alles halb so schlimm, ich indes halte es mehr mit Peter Lustig, der schon früher zum Abschalten riet.

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Weiterführende Links:

Versuch eines medienkritischen Gedichts

Potter, Simpsons, Dalai Lama
sind die Helden dieser Tage,
Vattenfall und Fahrradfahra*
brachten jüngst das Volk in Rage.

Doch nur ein paar Wochen später,
sind es wieder Volksvertreter,
Sex-Skandale, schwarze Kassen,
die uns nicht in Ruhe lassen.

Neue Helden müssen her:
das Sommerloch droht bald.
Wie wär’s mit einem neuen Bär?
Sein Schicksal ließe niemand kalt.

Ob nun ein Bruno oder Knut
– der Auflage tut’s gut.
Der Bär als Sau durch’s Dorf getrieben,
die Zeitungsmacher werden’s lieben.

* Anmerkung des Dichters: Die Fahrradfahrer haben sich so blödgedopt, dass ihnen sämtliche für Orthographie zuständige Gehirnzellen abgestorben sind. Das ist in diesem Fall nicht weiter tragisch, so reimt sich das Gedicht wenigstens.