Destruktive Filter in der digitalen Fotografie

Aufgenommen mit instagr.am
Aufgenommen mit instagr.am

Fast jeder hat heute ständig eine Kamera in seinem Mobiltelefon dabei. Wir produzieren so viele Bilder wie keine Generation zuvor, aber sie werden nicht besser. Ich möchte hier nicht von gestalterischen Aspekten, sondern von ganz einfachen technischen, reden. Die digitale Technik ist in den letzten Jahren beachtlich vorangekommen: mit modernen Kameras können wir heute bei fast vollständiger Dunkelheit nahezu rauschfreie, scharfe Fotos aufnehmen – und das ganz ohne Blitz oder Stativ. Und trotzdem werden unsere Bilder immer schlechter. Selbst mit den winzigen Sensoren moderner Mobiltelefone können heute bei guten Lichtbedingungen ordentliche Ergebnisse erzielt werden.

Jedoch verschlechtern wir unsere Fotos mit voller Absicht: Zwar möchten wir einerseits möglichst viele Momente unseres Lebens im Bild, welches möglichst sofort in all unseren sozialen Netzwerken verfügbar sein sollte, festhalten. Andererseits hängen aber dennoch einem romantischen Bild der analogen Fotografie nach, ohne Jahre unseres Lebens mit chemischen Prozessen in der Dunkelkammer verbringen zu wollen. Wir sehnen uns nach der Ästhethik vergangener Jahrzehnte (Schwarzweiß, Vignetten, Lomographie etc.) und verwenden destruktive Filter, um unser visuelles Ideal zu erreichen. Unsere ohnehin schon unzulänglichen Handyaufnahmen werden jedoch durch die Anwendung von beliebten Applikationen wie instagr.am oder Hipstamatic noch weiter verschlechtert; das Original geht dabei oft verloren. Im Moment der Aufnahme kommt uns die historische Anmutung noch ansprechend vor.  Aber ist uns wirklich bewusst, dass es oft kein Zurück gibt? Wie werden wir in ein paar Jahren auf diese Bilder blicken?

Alles immer flacher und in 3D

Internationale Funkausstellung Berlin, ich streife über das endlose Messegelände. Die Besucher reißen sich um überdimensionierte Tragetaschen der Aussteller, in denen sich zumeist nichts weiter befindet als ein Handzettel in der Größe DIN A5 und ein Werbekugelschreiber. Beutelratten. Die Currywurst kostet 5 Euro und schmeckt nach Glutamat. Das Schlimmste an Messen ist die Verpflegung. Es sei denn, man hat einen Presse- oder Fachbesucherausweis. Dann darf man schon mal bei einem Hersteller minderwertiger Plastikhardware backstage eine Brezel essen und ein Weizenbier auf’s Haus genießen. Dafür muss man aber nicht nur seine Daten am Empfangsschalter hinterlassen, sondern auch an einer Produktpräsentation teilnehmen. Ich bin im Besitz eines dafür erforderlichen Ausweises, lasse mir aber ungern stundenlang die Vorzüge einer neuen Telefonhülle erklären und so schlimm ist die überteuerte Currywurst nun auch wieder nicht.

Wohin man blickt: Weißwaren. Die meisten von ihnen sind ganz gewöhnliche Waschmaschinen oder Kühlschränke – nicht einmal  über WLAN verfügen sie. Des weiteren liegen Fernseher im Trend: wie jedes Jahr werden sie immer flacher (genau wie das Programm, das sie zeigen) und jetzt können sie sogar 3D. An einem Stand für Televisionsgeräte tanzen magere Modelle ungelenke Tänze. Dabei werden sie gefilmt und das Livebild wird auf einen dieser modernen Fernseher übertragen. Messebesucher stehen davor und tragen alberne Brillen während sie in die Geräte starren und klagen über Kopfschmerzen. Wenn es nach den Ausstellern ginge, wird es bald nur noch 3D-Bilder geben. Also genau wie vor der Erfindung des Fernsehens, nur mit Kopfschmerzen.

Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt belegt eine eigene, sehr große Halle. Beim Betreten spürt man sofort, wie hier Rundfunkgebühren verpuffen. Hinter einem langen Tisch sitzen drei Junge Menschen, die Autogramme geben. In unregelmäßigen Abständen umarmen sie sich und lächeln in ein Blitzlichtgewitter. Sie sind beliebter als die übergroße Sendung-mit-der-Maus-Maus, die niemand fotografieren will. Vermutlich sind sie sogar ein bißchen bekannt – aus Film, Funk und Fernsehen, wie man früher so schön sagte. Ich kenne sie nicht.