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F wie Fail

Daniel Kehlmann – F
Daniel Kehlmann – F

Manchmal lese ich Bücher und gelegentlich schreibe ich darüber. Die meisten Bücher, die mich interessieren, erwerbe ich im Buchhandel. Hin und wieder fordere ich bei Verlagen ein Rezensionsexemplar an. Weil Verlage okay finden, dass ich über ihre Bücher schreibe, schicken sie mir dann ein solches zu. Das ist ein feiner Zug, sie müssen das nicht tun. Daniel Kehlmanns neuen Roman F wollte mir der Verlag nicht zur Verfügung stellen. „Wir haben mit Beginn dieses Jahres unsere Vergabepraxis für Rezensionsexemplare umgestellt und haben leider kein Kontingent mehr für die immer größere Bloggergemeinde“, schrieb mir die Pressedame des Verlages. Aber ich könne gern den Newsletter für Blogger abonnieren, der sei auch interessant usw. Das finde ich okay. Schließlich muss ein Verlag Bücher verkaufen und kann nicht jedem, der eine wenig beachtete Internetseite zu seinem Vergnügen und manche gar zum Zwecke der Abstaubung von Produktmustern betreibt, ein Buch seiner Wahl schenken.

Gestern erblickte ich das Druckerzeugnis meines Begehrens in der Schaufensterauslage eines modernen Antiquariats. Es kostete nur die Hälfte des regulären Verkaufspreises. Als ich es aus der Auslage entnehmen wollte, zog der Verkäufer unter Ladentheke ein weiteres Exemplar hervor. Es war noch in Plastikfolie eingeschweißt. „Journalisten versetzen hier ihre Rezensionsexemplare in Massen“, erzählte mir der Verkäufer. „Einer fand den Kehlmann okay, ein anderer scheiße und der hier hat es nicht mal ausgepackt“, so er.

Da es sich um einen offensichtlich druckfrischen Roman handelte, erkundigte ich mich augenzwinkernd nach der gesetzlichen Buchpreisbindung. Mit breitem Grinsen holte der Antiquar ein Teppichmesser hervor, öffnete die Verpackung und blätterte mit seinem Daumen durch die Seiten. „So, jetzt ist es gebraucht“, sagte er und überreichte mir das Buch. Ich werde es lesen. Besprechen werde ich es in meinem Blog nicht.

11 Antworten auf „F wie Fail“

Als nur mittelreiche Bücherschreiberin rufe ich: „Schrecklich! Ihr macht ja das Buchwesen kaputt, und damit meine Zukunft!“

Als nur mittelreiche Journalistin frage ich indes: „Kannst Du mir bei Gelegenheit mal das Antiquariat nennen – und: Zahlen die wenigstens ordentlich für sowas (unverlangte Rezensionsexemplare, noch in Originalfolie)?“

Ja. Als Blogger mit Lust und Zeit, eine ordentliche Rezension zu schreiben, hast du keine Chance, als Journalist bekommst du Bücher, die du gar nicht willst – weder lesen, noch besprechen. Merkwürdige Praxis.

Vielleicht täusche ich mich auch, aber dein Text lässt andeuten, dass du nicht wirklich mit dem Procedere der Verlage einverstanden bist. Diese sind aber nicht daran Schuld, dass ihre Rezensionsexemplare in den Handel gelangen, und das ist auch ganz sicher nicht in ihrem Interesse. Eine gute Presseabteilung beobachtet sorgfältig, welchem Journalisten sie was gibt, und wird auch dementsprechend handeln, wenn sie wiederholt feststellt, dass von Empfängerseite nichts zurückkommt – sei es die Besprechung selbst oder eine Begründung, warum diese nicht erfolgen konnte. Passieren tut es natürlich trotzdem, es ist ja auch für fast alle Beteiligten (Verkäufer, Händler und Käufer) ein zu gutes Geschäft. Das kann aber auch einer der Gründe sein, warum die Freikontingente bei den Verlagen immer schmäler werden: das Misstrauen ist gewachsen, denn sie kriegen es natürlich mit. Wenn du also willst, dass sich an der Situation langfristig etwas ändern soll, solltest du solche Exemplare vielleicht erst gar nicht kaufen.

Dieser Titel! Fail kann man nicht sagen. Ein anderes, aber ich möchte nichts am Titel ändern. Nein, das macht man nicht. Und schon gar nicht ohne Absprache! Das muss für Daniel too much gewesen sein. Da wird sein Buch mit einem Teppichmesser unwrapped, bei einer Erstaufführung seines Werkes „Der Mentor“ am Text geändert und auch noch eine zusätzlich stumme Person eingebaut. Was wird der stumme Darsteller gedacht haben?

@Tg Ja, da ist sicher was dran. Zwei Jahre weiter erhält man oft problemlos ein Rezensionsexemplar: Allerdings als E-Book. Das kann man dann auch ohne Stempel nicht mehr weiterverkloppen.

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