Rainald Goetz zum 60.

Nun ist der auch schon 60. Ganz schön alt für eine, genauer gesagt, die Nachwuchshoffnung des Literaturbetriebes. Wir indes warten immer noch auf seinen ganz großen Wurf und schauen uns derweil das den kompletten Nimbus begründende Rasierklingenvideo in Endlosschleife an.

„Ah, Rainald Goetz lesen Sie. Sehr interessant. Ja, hat denn der mal wieder etwas Neues geschrieben?“, riefen mir unzählige, ebenfalls bereits schon in die Jahre gekommene Damen und Herren, entgegen, als ich unlängst in Cafés der Lektüre eines gut abgehangenen Schinkens frönte. Irre, das.

Viele Raves später, während andere den Zustand der Gegenwartsliteratur beklagten, verbrachte der Schrifsteller seine Zeit damit, Tag für Tag auf den Zuschauerbänken verschiedener Gerichtssäle zu sitzen, um aus geringer Distanz die Niedertracht des Kampfes um die Macht in seinem Hausverlag auf das Genaueste zu dokumentieren. Stoff genug für einen den Johann Holtrop in den Schatten stellenden Abriss von überhaupt allem. Don’t cry – work. Und wenn schon keiner mehr damit rechnet, wird irgendwann, fernab von Büchermessen das udolindenbergmäßige Auferstandenausruinenbuch kommen und alle, die jetzt an seinen literarischen Fähigkeiten zweifeln, werden es naturgemäß schon immer gewusst haben wollen. Hoffnung.

Rasierklingen zu Bleistiften. Herzlichen Glückwunsch zum 60., Rainald Goetz.

Blumfeld wieder da: Ein Lied mehr

Graue Wolken
Graue Wolken

Zwanzig Jahre nach L’etat et moi touren Blumfeld wieder in Originalbesetzung. Irgendeinen Grund findet man immer für eine Wiedervereinigung, und sei es nur die Knappheit der Musikantenkassen. Kein neues Album der längst aufgelösten Band, kein Lyrikband von Jochen Distelmeyer, keine Lehrstuhlberufung von PD Eike Bohlken und keinen Schlagzeugunterricht von Andre Rattay. Einfach mal den in Nostalgie schwelgenden Konzertbesucher abmelken.

Eigentlich sollten Blumfeld nach ihrem Abschiedskonzert am 27. Mai 2007 Geschichte gewesen sein und nun stehen sie bald wieder da, verdruckst am Bühnenrand wie auf einem Klassentreffen der Hamburger Schule, und haben nichts mehr zu erzählen, weil man sich doch auseinander gelebt hat. Jochen Distelmeyer begrüßt die schunkelnden älteren Junggesellen im Publikum mit dem Üblichen kokettierenden „Hallo, wir sind Blumfeld“, Eike Bohlken hat in der vorlesungsfreien Zeit artig die Bassline vom Apfelmann gelernt und Andre Rattay ist längst ein gewöhnlicher Gentleman geworden. Vielleicht singen ihre Kinder mittlerweile gemeinsam den Chor-Part von Superstarfighter.

Hätte man via Crowdfunding die Reunion verhindern können, um allen Beteiligten Peinlichkeiten zu ersparen, ich hätte ohne zu zögern meine Geldbörse gelockert. „Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg.“ Rückkopplung. Immer wieder Übergang zu Cole Porter – ev’ry time we say hello, I die a little. 

Aber wer weiß, vielleicht wird auch alles gut: „Rock’n’Roll hat meinem Leben einen neuen Sinn gegeben, den Faden wieder aufzunehmen.“ Ich habe nichts gegen Musiker als solche, meine besten Freunde sind welche.


Tourdaten

27.08. Köln – Live Music Hall
28.08. Frankfurt – Batschkapp
29.08. München – Theaterfabrik
30.08. A-Wien – Arena
11.09. Münster – Skaters Palace
12.09. Hamburg – Markthalle
13.09. Berlin – Astra

VVK-Start: 19.05.2014


Update: Ach, Jochen Distelmeyer veröffentlicht naturgemäß doch ein Buch. Allerdings keinen Lyrikband.