Es ist etwas anderes, einen eigenen Text auf Papier zu lesen, gedruckt in einer Zeitung. Was sonst manchmal ein bisschen ins Internet hineingeworfen scheint, wirkt dadurch plötzlich viel bedeutender.
Die Wochenzeitung der Freitag hat mich gebeten, 6000 Zeichen über Instagram zu schreiben (hier kann man den Artikel im Netz lesen). Das habe ich gern getan und doch sind mir einmal mehr die Vorzüge des Bloggens bewusst geworden. Als mein Beitrag erschien, dachte ich an Peter Struck, den früheren Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion. Er sagte einmal: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es eingebracht wird.“ Ebenso verhält es sich auch mit Autorentexten für die klassischen Medien. Dieser Vorgang heißt Redaktion.
Früher habe ich einmal in einer Bank gearbeitet. Ein großer Teil meiner Arbeitszeit bestand aus Korrespondenz mit Kunden. Ich hatte eine Vorgesetzte, die ihr Dasein allein damit rechtfertigte, in meinen Briefen herumzustreichen, ohne dadurch etwas wirklich zu verbessern. Schrieb ich „des Weiteren“, änderte sie es in „darüber hinaus“ und umgekehrt. Was ich auch schrieb, es gab immer einen Grund, die Mappe mit dem Brief an mich zurückzugeben, denn es gab noch die Wendungen „ferner“, „außerdem“, „daneben“, „weiterhin“ und viele andere mehr. Bankkaufleute kennen 200 Wörter für „des Weiteren“. Die Vorgesetzte hätte sicher auch eine prima Redakteurin abgegeben.
An meinem Artikel für den Freitag hat die Redaktion nur wenig geändert. Dass man ihm eine andere Überschrift gegeben und wenige Wörter behutsam ausgetauscht hat: geschenkt. Irgendwann kam ich jedoch auf den technischen Fortschritt in der Handyfotografie zu sprechen und dass ich mich machmal wundere, meinen Fotoapparat sogar gelegentlich zum Telefonieren zu benutzen. Dem folgend wurde ein vollständiger Satz, der nicht einmal im Ansatz von mir stammte, hineinredigiert: „Ich meine mein Smartphone!“ Ein solch hysterischer Ausrufesatz ist niemals meinem Kopf entsprungen und durch meine Finger geflossen. In meinem Blog gäbe es so etwas nicht, ich distanziere mich von diesem Satz.
33 Antworten auf „Bedrucktes Papier“
Entschuldige bitte, aber wenn Du nicht schreiben kannst, müssen wir eben Verbesserungen vornehmen! Ist ja alles im Sinne des Lesers ;)
Kleiner Scherz von Oliver…
Lieber André – das ist ein ganz normaler Vorgang :), manchmal eher unerfreulich, manchmal aber auch gut. Und viele Redakteure senden einem das auch nochmal zum Gegenlesen zurück, wenn die Zeit ist.
Genau deshalb unterscheide ich zwischen Blogtexten und beruflichen Artikeln: Über den ersten bin ich komplett Herrin (und erfinde auch mal Wörter und Grammatik), Zweiteres sehe ich als Material für die Redaktion. Und werde nur böse, wenn die Fakten verzerrt werden – alles andere ist Knetmasse.
@kaltmamsell: Ich ja für gewöhnlich auch. Es ist ja alles auch kein Drama und keine vollkommene Entstellung meines Artikels, bei dem es sich naturgemäß um kein Kunstwerk handelt. Ich fand nur den hineinredigierten Satz so absurd, weil er dem Duktus des restlichen Textes eben nicht entspicht. Sei’s drum.
“ferner”, “außerdem”, “daneben”, “weiterhin” …
Du hast „überdies“ und „zudem“ vergessen. (SCNR)
Hatten wir „fürderhin“ schon?
Traurig, aber wahrscheinlich brennt in Printland inzwischen der Baum so lichterloh, daß sich die Redakteure solche unnütze Arbeit machen müssen um ihre Stelle zu rechtfertigen? Die andere Theorie wäre, daß sie die Leser ihres Produkts für so strunzdoof halten, und ihnen dann lieber den Erklärbär machen. So oder so – traurig.
Hatten wir nicht, kenne ich aber. Falls mir jemand ein Des-weiteren-Surrogat präsentieren sollte, das ich noch nicht kenne, gebe ich ihm ein Bier aus.
Es ist ja alles kein Drama und ich habe das natürlich nicht alles ganz ernst gemeint. Ich kann auch verstehen, dass man Zeitungslesern Humor verdeutlichen muss. Aber! alles! ohne! Ausrufezeichen!, bitte!
Wahnsinn, ey, ihr habt Sorgen…
Das „beiläufige Fotografieren“ (aus Deinem Text) ist schön. So ist es.
@Katja: Danke.
Glaub mir, Beamte kennen noch 100 Worte mehr ;-)
@wortmeer: Das glaube ich nicht. Verfolgt man die Lehrherrenkette nur weit genug zurück, saß irgendwo ein Bankbeamter.
Wir kennen dazu hinzukommend, ergänzend im übrigen und ansonsten zusätzlich. Der Österreicher sagt obendrein „ansonst“, der Schweizer obendrauf „nebstdem“. Kann ich es jetzt haben? Ich meine mein Bier!!!
@uli: Ich fürchte, auch das reicht nicht. Bier trinke ich trotzdem immer gern.
Irgendwie erschreckend, dass die ihre Leser anscheinend für so blöd halten, den vorherigen Satz nicht ohne diesen Ausruf zu verstehen.
also diese redigatur ist nun wirklich pillepalle und nicht der rede wert. sie dient dem verständnis des textes und ist daher gut gemacht. (ausrufezeichen) wenn sie sich darüber aufregen, dann sollten sie mal mit freien journalisten über sinnentstellung reden, da kennt die dämlichkeit von redakteuren manchmal gar keine grenzen (- allerdings, erfreulicherweise, nicht beim freitag, was ich so höre ;-) )
Als Ex-Bänker hätte ich noch „obendrein“ und „überdies“ im Angebot. Aber für ein Bier von Dir reicht das vermutlich auch nicht.
@kreuzberger: Keineswegs. Deine Vorschläge reichen höchstens für einen Schluck Fanta aus der Dose.
Fanta? Nein danke.
(Außerdem erst jetzt gesehen, dass ich ja nicht der erste Vorschläger dieser Wörter war. Peinlich, peinlich)
Holla du Redakteursopfer ;)
ich würde diese Redigatur speziell nicht tragisch nehmen.
Souveräne Redakteure ändern wirklich nur das Nötige. Was das Nötige ist, da scheiden sich hin und wieder die Geister. Welche Erläuterungen das Verständnis des Lesers erhellen mögen, das hängt halt auch a) vom Verständnis des Redakteurs von der vorliegenden Materie und b) von seiner Einschätzung der Begriffsstutzigkeit der Leser ab.
Es gibt einen wesentlichen Aspekt, der häufig nicht bedacht wird: Der PRINT-Artikel muss auf x mal y Millimeter Platz auf der Seite passen, wobei die Zeitungen und je nachdem Ressorts auch Vorgaben haben, in welcher Schriftgrösse, mit wieviel Maximalzeilen pro Absatz, Minimum an Zwischentiteln pro Artikel, Mindestgröße und Format einer Bebilderung etc etc blabla :) Das heißt: Da muss nicht selten an Stellen, die der Text nicht nötig hätte, satzbedingt gestrichen oder verlängert werden.
Never mind,
Miou
Nachtrag. Es gibt so viele Möglichkeiten.
Es könnte auch sein, dass RedakteurIn x bei RedakteurIn y (das geht bis rauf zum Verleger) vorsingen muss, wenn irgendein bestimmtes Wort oder irgendeine bestimmte Phrase in irgendeiner bestimmten Weise durchgehen. Diese Vorgänge versteht sowieso niemand, dem sie nicht an diversen durchzechten Mittagessen und Abendgelagen „erklärt“ wurden. Es könnte auch sein, dass der Artikel erst von diesem, dann aber von jenem Redakteur bearbeitet und vielleicht nochmal umbearbeitet wurde, weil jemand krank war oder die Seite ausfiel oder der Erscheinungstermin oder das Ressort wanderte.
Ach, das eine Ausrufezeichen. Wenn es nur eins ist ;)
Naja, oder der Redakteur ist halt doch dämlich. Mein ja nur.
Miou
@Miou: Ja, Danke. Ich habe schon eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie das so läuft. Eigentlich wollte ich gar kein Drama daraus machen, sondern nur mal meine Bankangestelltengeschichte erzählen. Nun hat’s das Bildblog verlinkt und ich komme bei allen Redaktionen dafür auf die schwarze Liste. Sei’s drum.
Ich sehe schon die schlagzeile:
rücksichtslos: Bosch erzählt bankgeschichte auf kosten zahlloser Redakteure
Stimmt, es gab ja mal bankbeamte. Ich vergaß.
In der Schweiz gibt’s auch noch „weiters“ ;-)
Das passiert. Wie oben geschrieben: „Dieser Vorgang heißt Redaktion“. Redaktion ist Teamarbeit, und zum Team gehören auf der einen Seite der Autor und auf der anderen der Redakteur (und manchmal auch noch der Grafiker, der Chefredakteur, der Schülerpraktikant …). In einer perfekten Welt würde der Autor nichts machen, was redigiert gehört, und in einer halbperfekten Welt (in der etwas redigiert werden muss) würde der Redakteur so redigieren, dass die Aussage des Autors deutlicher wird. Weil die Welt aber nicht einmal viertelperfekt ist, machen Menschen Fehler. Und dann steht da ein Satz, der inhaltlich, stilistisch, formal einen Fremdkörper im Text darstellt. Aber, wie gesagt, das passiert. Schlimm ist es nicht.
@Zahnwart: Nein, nicht schlimm. Ich wollte nur einfach mal den Satz schreiben: „Ich distanziere mich von diesem Satz.“
was sie meinen, ist der ausdruck: worte in den mund legen. und da muss man dann und wann wie das hb-männchen an die decke gehen. in diesen angeblich rauchfreien zeiten ist dies gesund. aber trotzdem: da muss was in den mund gelegt werden.
fast alles ist mehr oder minder werbung… in zeitungen, im fernsehen, im internet, smartphoned es überall. für einen selbst, für ein produkt, für eine fremde oder eigene ‚haltung‘.
mit ihrem blog wollen sie sicher zum ausdruck bringen, dass sie keine werbung machen und authentisch sind.
vielleicht erwarten sie jetzt, dass ich werbung und authentizität, anders gesagt das unausprechbare unmögliche paar kommentiere, gell? leider nein, denn viel interessanter ist:
die nicht vorhandene zigarette. sie gehen in die luft.
ich verrate ihnen aber ein geheimnis. da oben is nix. und das ist nicht gut so.
@anton: Im Prinzip mache ich den ganzen Tag nichts anderes als Werbung.
das ist arm. ich empfehle lesen. sex. wieder lesen.
karte und gebiet von michel houellebecq wäre eine empfehlung, abgeklärtere werbung werden sie sonst net finden.
sex? ex-banker/blogger haben sex?
Und dann gibt es natürlich auch noch „drüberstreuen“! (Zitat Duden: zum Drüberstreuen (österreichisch umgangssprachlich für zur Abrundung))
Wenn ich die Wahl habe, würde ich jetzt eher ein Krügerl, denn ein Flaschenbier bevorzugen. Jedenfalls aber: Danke!
@ smartphone-beifügung:
Der redakteur ist ein dummer barbar ohne jegliches sprachgefühl. (Was macht der eigentlich hauptberuflich?)
Begründung:
1.: Der vorhergehende satz beinhaltete einen witz. Zwar nicht unbedingt eine mörderwuchtel, aber doch einen witz. Es gibt ganz eindeutig und absolut nichts uncooleres, als unmittelbar nach einem witz auch noch die erklärung dazu für die volldolme zu liefern!
2.: Jeder mensch, der das letzte jahrzehnt nicht in einer mönchsklause auf einer einsamen insel am nordpol verbracht hat, versteht den sinn der fotoapparat-telefonier-aussage. Falls sie wer aber doch nicht verstanden hat, weiß diese person mit dem namen „smartphone“ jedoch ganz sicher auch nichts anzufangen.
3.: Diese aktion zeigt also nicht nur die geringschätzung gegen den autor, sie offenbart zum drüberstreuen auch noch, dass der redakteur die leser seiner zeitung als dummerchen ansieht. Und all jene, die keine dummerchen sind, also die eindeutig überwiegende mehrheit, merken das und sind mithin sicher nicht erfreut.
Ok, natürlich ist das alles keine weltbewegende katastrophe. Es gibt sicher wichtigers. Aber um es als „pillepalle“ zu bezeichnen – könnt ich mir vorstellen – muss man in seinem beruf bisher sicher schon ziemlich abgewatscht worden sein und nur mehr stumpf und lethargisch in den seilen hängen.
„… ich distanziere mich von diesem Satz.“ hahaha :D
Sehr schön! Das ist wohl der knuffigste Satz, den ich je gelesen habe.
Was ich mich gerade frage: Kann man als Autor nicht dagegen vorgehen, dass die eigenen Texte verstümmelt werden? Eigentlich müsste der Redakteur bei so gravierenden Änderungen doch wenigstens einmal Rücksprache halten – allein aus Respekt?!
@alle: Danke: Interessant, wie unterschiedlicher Meinung man sein kann. Ich empfinde das oben geschilderte Redigat auch nicht als Drama. Es war mir aber doch ein willkommener Anlass, an dieser Stelle meine Bankgeschichte und den Satz „Ich distanziere mich von diesem Satz“ einmal zum Besten zu geben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Übrigen bin ich durchaus Schlimmeres gewöhnt:
http://boschblog.de/2011/08/30.....-writings/