Warenwelten #2: Buchkaufhaus

Dieses Einzelhandelsgeschäft könnte sich in der Prachtmeile einer jeden Großstadt oder in einem gehobenen Einkaufszentrum befinden. Die Räumlichkeiten sind großzügig angelegt und die Gänge weitläufig. Das Licht ist hell und fast einladend, aber der geflieste Boden strahlt gleichzeitig eine elegante Kälte aus. Auch eine Sitzecke mit Espressomaschine darf hier nicht fehlen. Sind wir bei Jil Sander, Escada oder gar bei Chanel?

Ein Blick in das Handelsregister verrät uns, dass es sich um die Filiale eines sogenannten Buchkaufhauses handelt. Ein Blick in die Regale verrät, dass es sich tatsächlich aber um einen Gemischtwarenladen handelt. Hier gibt es alles: Kalender, Schreibwaren, Geschenkartikel und Schokolade. Hier gibt es alles – außer Bücher. Wer hier nach einem Werk Thomas Bernhards Ausschau hält, wird immer nur Die Tochter der Pferdefrau von Jutta Beyrichen finden.

Wer sich jedoch genauer umsieht, wird aber auch an diesem Ort auf eine größere Auswahl an Druckerzeugnissen in Form von bunten Taschenbüchern stoßen. Diese werden konsequenterweise gleich nach Farben sortiert präsentiert. Alle Titel, die gerade nicht mehr in einem der zahlreichen Bestseller-Stellagen auf ihre Käufer warten, sind entweder auf einem der großen Ramschtische im Eingangsbereich zu finden oder werden in thematisch sortierten Stellagen zusammegepfercht. Die beliebtesten Rubriken sind natürlich „Beste Unterhaltung“, „Liebe & Romantik“ und „Freche Frauen“.

Wer sich freiwillig an diese Stätte des Konsums begibt, der wollte entweder eigentlich zu Jil Sander oder er sucht nach einem Präsent für einen Menschen, den er so sehr mag wie ein Loch im Kopf. Man hat aber auch schon davon gehört, dass Schaufensterdekorateure von Regalfachmärkten hier nach geeigneten Dekorationsgegenständen Ausschau halten. Freunde der Literatur indes sind hier so selten anzutreffen wie ein Vegetarier in der Metzgerei.

—————————————————————-

Weiterführende Links:

Warenwelten #1: Einkauf mit Frau

Ein etwa siebenjähriger Junge begleitet seine Mutter widerwillig in ein Warenhaus. Die Mutter wünscht, in der Wäscheabteilung einen BH zu erwerben, welcher ihre Brüste in möglichst vorteilhafter Form präsentiert. Den Jungen interessiert die Präsentation von Brüsten, zudem noch die seiner Mutter, naturgemäß wenig.

Viele Jahre später, wenn der Stimmbruch überstanden ist, die Barthaare sprießen und auch das Interesse für vorteilhaft präsentierte Brüste zugenommen hat, wird er als Mann an der Seite seiner Holden an den noch immer ungeliebten Ort zurückkehren. Er wird dann in einem unbequemen Sitzmöbel platznehmen und mit seinen dort bereits seit Stunden ausharrenden Leidensgenossen kein Wort wechseln. Dafür wird er alle zwei Minuten abwechselnd einen Blick auf seine Armbanduhr und auf seine sich unendlich oft umkleidende Liebste werfen. Seine Ungeduld wird im gleichen Maße zunehmen wie die durch Einkaufsgenuss hervorgerufene Glückseligkeit seiner Begleiterin. Gleichzeitig wird er sich über den in der Herrenwarteecke aufgestellten Trinkwasserspender ärgern, denn dieser ist entweder leer oder verkeimt. Sollte beides einmal nicht zutreffen, und und sich der Mann bereits auf die Zufuhr eines kühlen Trunks freuen, um der bereits einsetzenden Dehydrierung in der Einkaufswüste entgegenzusteuern, dann werden ganz bestimmt die Einwegbecher fehlen.

In diesem Moment wird ihm dann das erste Mal bewusst werden, dass die einzigen Jahre, in denen ein Mann so richtig frei ist, diejenigen zwischen Grundschulalter und dem Beginn der ersten festen Beziehung sind – die wenigen Jahre im Leben eines Mannes, in denen keine Frau zum Einkauf begleitet werden muss. Aber davon ahnt der kleine Junge jetzt noch nichts.

Christina Aguilera testen

Christina Aguilera

Gedankenverloren schlenderte ich durch die Filiale eines namhaften Warenhauses, das für seine mittelmäßigen Waren zu mittelmäßigen Preisen bekannt ist. Plötzlich stellt sich mir etwas in den Weg, von dem ich mir etwas mehr Mittelmäßigkeit gewünscht hätte. Eine unförmige ältere Frau mit blondgesträhnter Kurzhaarnachvornfönfrisur und einer wurstpellenartigen weißen Jeans krächzt mir zu:

„Auch mal Christina Aguilera testen?“

Ich stutze kurz, denn ich vermag das Bild der knappbehosten Jungsirene, welches sich angesichts des erwähnten Namens vor meinem inneren Auge auftut, nicht mit der vor mir stehenden Person in Zusammenhang zu bringen. Ich entscheide mich dafür, Christina Aguilera lieber nicht testen zu wollen. Schließlich hat man lange nichts von ihr gehört und sie könnte in der Zwischenzeit einen britneyspearsähnlichen sozialen Abstieg hinter sich haben. Vielleicht ist sie sogar über Nacht um dreißig Jahre gealtert und zwängt sich mittlerweile Tag für Tag in viel zu enge Hosen, um ihren Lebensunterhalt als Verkäuferin in der Parfumabteilung eines mittelmäßigen Warenhaus bestreiten zu können.

Noch ehe ich etwas sagen kann, drückt mir die korpulente Person ein 3×10 cm großes duftwassergetünchtes Pappkärtchen in die Hand. „Das neue Parfum von Christina Aguilera“, sagt sie. „Aha“, sage ich. Der Duft ist süß und vergänglich – genau wie das Dasein als Popsternchen.

Optikerbrille

Optikerbrille

Brillen sind an sich eine gute Sache. Helfen sie dem Sehschwachen nicht nur, seine Fehlsichtigkeit zu korrigieren und so seine Lebensqualität nachhaltig zu erhöhen, sondern können zudem auch als modisches Accessoire die Persönlichkeit ihres Trägers vorteilhaft unterstreichen. Dies natürlich nur, so der Träger auch nur den Ansatz einer Persönlichkeit besitzt. Ohne näher in die Psychologie der Wahl der künstlichen Sehhilfen einsteigen zu wollen, sei an dieser Stelle kurz angemerkt, dass es sicher einen Grund hat, dass Guido Westerwelle, seines Zeichens Vorsitzender einer sich selbst als liberal bezeichnenden Partei, seit Jahren ausschließlich konturlosen Modelle bevorzugt.

Das exakte Gegenteil des blau-gelben Parteivorsitzenden ist, möglicherweise nicht unbedingt hinsichtlich der Vorstellungen von einer gelungenen Unternehmenssteuerreform, sondern eher brillenmodisch betrachtet, der selbständige Optikermeister.