Post von Wagner: Lieber Günter Grass

Lieber Günter Grass,

Sie sind ein großer Dichter. Schon als hellhöriger Säugling haben Sie auf kaschubischen
Kartoffelackern laut auf die Blechtrommel eingedroschen.

Jetzt haben Sie ein Gedicht geschrieben: „Was gesagt werden muss“. Mit letzter Tinte machen Sie der Welt Angst vor Israel, vor Juden mit der Atombombe. Mir tut es weh, das zu lesen. Seit an Seit mit Linken und Terroristen lassen Sie mit ihren Worten Ilsebill die Wunden des jüdischen Volkes nachsalzen.

In den furchtbaren Nazijahren haben Sie in der SS gedient. Damals
waren Sie noch ein Kind, unschuldig. Sie haben gefroren und hatten Hunger. Niemand macht Ihnen den Vorwurf, dass Sie eine schöne Uniform haben und
eine warme Suppe essen wollten.

Heute sind Sie Nobelpreisträger. Viel mehr kann man nicht erreichen
als Schriftsteller. Meine alte liebe Mutter fragt immer: „Wem nützt es?“ Ich glaube,
Sie wollen meinen Job.

Marcel Reich-Ranicki hatte recht, als er sagte: Gossen-Goethe wollen viele werden. Aber es kann nur einen geben.

Herzlichst,

Ihr F. J. Wagner

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Dies ist eine keine exklusive Vorab-Veröffentlichung des morgen in der BILD erscheinenden Briefes von Franz-Josef Wagner an Günter Grass, anlässlich dessen Gedichts „Was gesagt werden muss“.

Euro-Wut-Teller

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In trauter Runde sitzen die journalistischen Speerspitzen von BILD und SPIEGEL ONLINE in der neuen Gemeinschaftskantine und feiern den Fall des geschiedenen Bundespräsidenten.

Aber nach der investigativen Niedertracht ist vor der Medienkampagne. Und so entwickelt die neue Allianz der Hetzmedien gemeinsam die Vision der totalen Euro-Wut. Wie ein Frosch sitzt Griechenland im Topf, während die vierte Gewalt langsam die Temperatur hochdreht. Freilich darf dabei niemand merken, dass die Wirtschaftsjournalisten mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund, die einst auf einem Ein-Tages-Kurs bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ihres Vertrauens das Bilanzenlesen lernten, jahrelang nicht allzu genau hingeschaut haben. Obschon die Anzeichen der Krise freilich nicht allzu schwer erkennbar gewesen wären.

Und so schaufelt man noch ein letztes Mal, bevor man Hand in Hand die Gemeinschaftswährung auf Ramschniveau herunterschreibt, große Berge von Gyros in sich hinein und spült diese mit Ouzo herunter. Die letzten Eypos haben die Verlage in neues Geschirr investiert. Großmutters Währungsreform-Wandteller lieferten mit ihrem Schriftzug die Vorlage: „Iss und trink, solang Dir’s schmeckt. Schon zweimal ist uns ’s Geld verreckt.“ Die Mahlzeit ist vorzüglich, die Küche hat ihr AAA-Rating erfolgreich verteidigt. Das Ekelfleisch ist in den Köpfen.

Post an Wagner: Jetzt wird zurückgeschrieben

BILD, 7. November 2011

Lieber Franz Josef Wagner,

auch Sie haben alles falsch gemacht. Vielleicht wäre es für die BILD leichter, einen Nachfolger zu finden, wenn Sie die Merkmale vorgerückten Alters aufwiesen.

Falsche Themen setzten, irre Thesen aufstellten. Briefe voller Rechtschreibfehler schrieben.

Ihr Brief an Thomas Gottschalk ist der beste, den ich seit langem las. Es waren Zeilen der Liebe, wie sie Paul Celan an Ingeborg Bachmann nicht schöner hätte formulieren können.

Sie haben die Gabe, uns mit Ihren Worten zu fesseln. Ich glaube nicht, dass es einen zweiten Wagner geben wird. Es gibt auch keinen zweiten Goethe, zweiten Schiller.

Martenstein sagte ab, weil er klug ist. Weil Sie klug sind.

Die BILD wird ein leeres Blatt ein leeres Blatt sein. Niemand schreibt mehr Briefe.

Das Blatt ist leer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf diesen Seiten Rowohlt, Hacke, Moreno, Sonneborn schreiben werden.

Wenn Sie einmal nicht mehr schreiben werden, ist die BILD für mich gestorben.

Herzlichst,

bosch

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Franz Josef Wagner schreibt täglich Briefe. Nun soll er auch einmal Post erhalten.

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