Außeninstallation

Bons-Ai Wax, "2 x 7 Zwerge", Installation im öffentlichen Raum (2011)

„Alles ist richtig, auch das Gegenteil.
Nur »zwar – aber«, das ist nie richtig.“

(Kurt Tucholsky)

transmediale.11, eine Außeninstallation hinter der Kongresshalle: Vierzehn Bäumchen in stoffumhüllten Kübeln, drei Hydrantenhinweisschilder, ein Klappfenster, gegenüber die Spree. Mehr nicht.

„Der japanische Aktionskünstler Bons-Ai Wax experimentiert bereits seit Ende der siebziger Jahre mit floralen Elementen im urbanen Raum. Für sein neuestes Werk »2 x 7 Zwerge« nimmt er Bezug auf das Brüder-Grimm-Märchen »Schneewittchen« unter Berücksichtigung der zentralisierten Wasserversorgung der Großstadt“, so der Katalog zur Ausstellung. „Das Wasser symbolisiert nicht nur die Quelle allen Lebens, sondern führt zwangsläufig zu einem unkontrollierten Wuchern der Pflanzen, das mittels Zeitrafferkamera stündlich festgehalten wird. Einerseits werden die strengen Gestaltungsrichtlinen der asiatischen Gartenbaukunst gesprengt, andererseits werden Aspekte des Grimm-Märchens durch die ebenhölzernen Baumstämme formal aufgegriffen. Allen Widersprüchen zum Trotz unterstreicht die gegenüberliegende Spree, dass alles im Fluss ist (vgl. Heraklit). Die filmische Umsetzung dieses radikalen Langzeitprojekts wird erstmals auf der Berlinale 2011 als Slow-Motion-Film in umgekehrter Reihenfolge einem breiteren Publikum vorgestellt. Im Anschluss wird die Dokumentation im Rahmen der Weiterbildung von japanischen Gartenbaumeistern ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt.“

Vielleicht ist es aber auch ganz anders.

Propeller

Jorinde Vogt, Concept Grammar

In dem etwas verwunschenem Gebäude, einem ehemaligen Krankenhaus in Kreuzberg, befindet sich das Kunstquartier Bethanien. „Alles, was Sie über Chemie wissen müssen“, lautet der Name der Gruppenausstellung: Gezeigt werden Video- und Klanginstallationen, Zeichnungen und Performances.

„Konzept Grammatik“ von Jorinde Vogt. Acht Flugzeugpropeller aus Carbon. Auf den Flügeln geschrieben: Wer wen liebt – wer wen nicht liebt. „Sie liebt mich – sie liebt mich nicht“ etc. 64 mögliche Deklinationen, aber keine Antwort darauf, wo sich die anderen 56 befinden. Stattdessen unten in der Ecke ein Schaltkasten, mit dem Drehrichtung- und Geschwindigkeit der Propeller reguliert werden kann.

Ansonsten: Neun rotierende Pingpongbälle, deren Drehung von einer Kamera aufgenommen und auf neun Monitore übertragen wird. Eine Art unförmige Sonnenuhr. Die großformatige filigrane Kugelschreiberzeichnung einer futuristischen Stadt. Eine Antenne, die ein Brummen auslöst, sobald man sich ihr mit der Hand nähert. Naturgemäß unvermeidlich Videoinstallationen: U. a. ein Video, in dem gerannt wird, ein Video in dem sich eine Frau einen Schnorchel in das Gesicht zementiert, und ein Video, in dem geschrien wird.

Überhaupt hat bildende Kunst, die mit Geräusch verbunden, meist etwas Enervierendes. Dennoch bin ich an diesem regnerischen Tag dankbar für zweieinhalb Stunden der angenehm inspirierenden Zerstreuung.

Himalaya Variations

Tina Tonagel, Himalaya Variations

Da steht sie nun, die sehr dünne Frau in ihrem sehr grünen Cocktailkleid. Es ist eher grün-blau, auf der Fashion Week sagte man sicher, es sei aquamarin. Aber das ist egal. Wichtig sind die zwei Overheadprojektoren, die vor ihr aufgebaut sind. Darüber gespannt: drei Saiten zur Tonerzeugung. Diese werden abwechselnd mit einem Geigenbogen oder Murmeln zum Schwingen gebracht. Auf der Leinwand: rote, weiße und grüne Farbfelder. Es ist eine Performance, es oszilliert, die Frau bearbeitet die Saiten mit Trommelstöcken. Meditative Stimmung: Gern rauchte man jetzt einen Joint, aber es ist gerade keiner zur Hand und außerdem raucht man ja gar nicht. Xylophonartiges Geklöppel unterlegt mit elektronischen Beats, alle starren die Frau an, ein Apparat mit rotierenden Scheiben bringt nun die Saiten zum Schwingen. Auf der Leinwand psychedelische Muster. Der Sound: eine Mischung aus traditionellem chinesischen Obertongesang und Kermit der Frosch. Wabern. Ende, Applaus, kerzengerade steht die Frau vor ihren Overheadprojektoren: schüchtern und verloren.

Schwangere Auster

Kongresshalle, Berlin-Tiergarten

Mindestens so interessant wie das Festival selbst ist das Gebäude, in dem es stattfindet. Der Architekt Hugh Stubbins hat die Kongresshalle als amerikanischen Beitrag zur Bauausstellung Interbau 1958 konstruiert: Auf einem künstlichen Hügel stehend sollte ihre beleuchtete Silhouette als „Leuchtturm der Freiheit“ in den Osten strahlen, 1980 ist die Dachkonstruktion pfuschbedingt eingestürzt, hin und wieder wurde die Halle ob ihrer futuristischen Anmutung in Science-Fiction-Filmen gezeigt.

„In Berlin sagen immer alle, das Gebäude wird »Schwangere Auster« gennant“, sagen in Berlin immer alle. Dabei nennt es in Wahrheit niemand so: Alle behaupten nur immerzu, dass es so genannt werde.