Was mit Rum

Come on over have some fun,
Dancin‘ in the mornin‘ sun.
Look into the bright blue sky,
Come and let your spirit fly.

(Kate Yanai)

Auf zwei Dinge fällt man im Leben immer wieder herein: Auf das Konzept der romantischen Liebe und auf Einladungen zu interessant klingenden PR-Veranstaltungen. Die Agentur hat mich nicht von ihrem D-Promi-Verteiler gestrichen. Das begrüße ich. Eine Schnapsbrennerei lädt anlässlich ihres 150jährigen Bestehens in ein Industriedenkmal, das sich auf seiner Website als „Kathedrale der Elektrizität“ bezeichnet.

Die Einladung habe ich zu flüchtig studiert, sonst wäre mir wohl nicht entgangen, dass es sich um eine 20er-Jahre-Motto-Party handelt, die entsprechende Abendgarderobe und Zigarettenspitzen voraussetzte. Die meisten männlichen Gästen sind ebenfalls flüchtige Leser und tragen vornehmlich großkarierte Flanellhemden und Vollbärte. Die anwesenden Damen sind zwar passender gekleidet, haben aber entweder Schlauchbootlippen oder eine Zahnspange. Während ich überlege, welche der beiden Gruppen ich noch lieber nicht küsste, erkundige ich mich bei einer Mitarbeiterin des Gastgebers, wie ich in die scheinbar exklusivere Bar in der unteren Etage gelange. Sie fragt mich, ob ich Schauspieler sei. „Irgendwie sind wir doch alle Schauspieler“, entgegne ich und plötzlich beginnt der Schmuse-Rapper mit seiner Gesangseinlage.

An der Bar sehe ich eine sehr schöne Frau mit einer sehr schönen Brille, die mich etwas von meiner Daiquiri-Bestellung abzulenkt. Der Barkeeper aus Frankfurt sagt, er kenne mich aus dem Johnson und drückt mir seine Visitenkarte in die Hand. Er freut sich offensichtlich, mich wiederzusehen. Ich kenne weder ihn noch das Johnson, sage ihm aber: „Das kann schon sein, ich bin Schauspieler.“ Bei meinen folgenden Getränkebestellungen wirkt sich dies positiv auf die Wartezeit an der Bar aus.

Eine sehr betrunkene Frau versucht, sich mir um den Hals zu werfen. Das ist mir unangenehm. Endlich entdecke ich die schöne Frau mit der schönen Brille wieder, leider schaue ich sie etwas zu düster an. „Mein Gott, kannst Du gucken“, sagt sie. „Das habe ich auf der Schauspielschule gelernt.“ Für eine größere Sprechrolle hat es jedoch nie gereicht und so ist Unterhaltung schnell vorbei. Ich bestelle einen weiteren Daiquiri und erfreue mich daran, dass die anhängliche Betrunkene in Oliver Korittke ein neues Opfer gefunden hat. Das ist gerecht, schließlich ist er der bekanntere Schauspieler von uns beiden.

Zufällig gelange ich in die Exklusivbar im Tiefparterre. Man experimentiert hier mit Chemikalien. Wasserklare Mojitos aus Reagenzgläsern werden hier genauso serviert wie Drinks mit Zuckerwatte aus Einweckgläsern. Ich kehre zum bewährten Daiquiri zurück und bin so betrunken, dass ich gern mit jemandem Englisch spräche. Ich spreche nur Englisch, wenn ich halbwegs betrunken bin. Leider findet sich kein geeigneter Konversationspartner und so stolpere ein bißchen auf der Tanzfläche hin und her. Der Plattenunterhalter erweist sich als professionelle Grandmaster-Flash-Kopie und die Gäste sind dankbar, nicht von einem DJ-Darsteller wie Paul Kalkbrenner gelangweilt zu werden. Normalerweise tanze ich nicht einmal, wenn ich stark alkoholisiert bin, trotzdem können sich meine Beine gegen ein leichtes Wippen nicht erwehren.

Ich bestelle einen letzten Daiquiri, es gibt aber nur noch Cola-Rum, na gut. „Aber nur noch mit Cola Light“. Dann eben gleich ein Wasser. Tschüs, Party. Die anhängliche Betrunkene wird vom Sicherheitspersonal in ein Taxi gesetzt. Zu Hause angekommen leere ich den Briefkasten: schon wieder sind keine interessanten Drehbücher dabei.

Exklusives PR-Event

Auf zwei Dinge fällt man im Leben immer wieder herein: Auf das Konzept der romantischen Liebe und auf Einladungen zu interessant klingenden PR-Veranstaltungen.

Die Kulisse über den Dächern der Hauptstadt ist gut gewählt. Anlässlich der Eröffnung einer Verkaufsplattform für elektronische Bücher eines Telekommunikationsunternehmens lesen ein Musikfernsehen-Moderator und ein Schauspieler einen Groschenkrimi von einem tragbaren Flachcomputer ab. Davor (zu Blitz und Donner) und in der Pause (im unzureichend klimatisierten Raum) spielen grobschlächtig wirkende, großflächig tätowierte Männer aus einem heruntergekommen Randbezirk akustischen Kuschelrock mit deutschsprachigen Texten.

Ich kenne niemanden, vermute jedoch einen hohen Anteil an Seifenoperndarstellern unter den exklusiv geladenen Gästen, und wundere mich ein wenig darüber, wie ich auf diese Art von Einladungsliste geraten bin. Eine Dame neben mir erzählt, dass sie Roland Emmerich kenne, während die andere übermäßig reichlich Lipgloss aufträgt. Es gibt gar nichts zu essen, aber dafür anfangs auch nur wenig zu trinken. Erst später entdecke ich die Bar, was den Getränkefluss erfreulich beschleunigt. Ein Buffet wäre Verschwendung, denke ich, da die meisten hier ohnehin niemals freiwillig feste Nahrung zu sich zu nehmen scheinen. Nur selten komme ich mit jemandem ins Gespräch, wobei die Frage „Und in welcher Vorabendserie spielst du so mit?“ meine Popularität auf diesem Event nicht nachhaltig zu steigern vermag.

Meistens verpasst man nichts, wenn man nicht dabei ist. Also meistens im Sinne von immer.