Pfingstsonntag in Berlin, endlich wieder etwas Sonnenschein. Der Karneval der Kulturen zieht durch die Stadt: über 90 Wagen, die allesamt glücklicherweise mehr von Venedig und Rio als von Köln und Düsseldorf haben. Kein Helau und Alaaf weit und breit. Dafür aber Samba und Blasmusik. Laut und bunt ist es, Caipirinha und Bratwurst gibt es.
Nach ungefähr dreieinhalb Stunden mag man jedoch nicht mehr auf der Stelle stehen, obwohl erst die Hälfte aller Wagen passierten. Irgendwann ist schließlich auch mal gut mit Sonne und caipirinhatrinkenden Menschenmassen um einen herum.
Berlin-Friedrichshain, 18. Mai 2010, 19 Uhr 53: ein schon etwas schummriger Abend, ein Wohnhaus mit einem unwirtlichen Betonvorgarten und zwei, ja was eigentlich? Pylonen, Lübecker Hütchen, Sicherheitsverkehrskegel, Haberkornhütchen, Molankegel oder Verkehrsstöggel?
Die Eskimos haben sicher über 1000 Wörter für dieses Ding, womit es sprachwissenschaftlich quasi so etwas wie das Gegenteil des „Warentrenners“ oder des „Gegenteils von Durst“, wofür seit Jahren verzweifelt nach einer griffigen Bezeichnung gesucht wird, wäre. Ich nannte sie einfach Pömpel. Auf Flickr entbrannte daraufhin sofort eine große Diskussion um die korrekte Namensgebung.
Das Wort „Pömpel“ entstammt der norddeutschen Sprache und bezeichnet u. a. einen Straßenpoller. Somit ist der in §43 der Straßenverkehrsordnung (StVO), Zeichen 610, korrekt als Verkehrsleitkegel bezeichnete Gegenstand nichts weiter als ein mobiler Pömpel. Vor diesem Hintergrund macht sich das obige Foto auch bestens in einer meiner Lieblingsgruppen auf Flickr: „Der Pömpel in seinem natürlichen Umfeld“.
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Nachtrag: Hier gibt es zwei weitere Glanzstücke aus meinem fotografischen Pömpelportfolio …
Sanierte Altbauwohnungen mit Stuck. Low-Fat-Latte-macchiato-mit-Soja-Milch. Antike Kinderwagen mit luftgefüllten Reifen und hochgestellte dreirädrige Kinderwagen mit Plastikschaleneinsatz zum herausnehmen, natürlich joggingtauglich. Agenturen. Mineralwasser aus Frankreich, obwohl die meisten Wohnungen schon längst keine Bleirohre mehr haben. Geländewagen. Mittvierziger mit hippen Umhängetaschen. Sushibars mit Happy-Hour. FDP-Plakate. Haargel. Boutiquen. Baustellen, überall. Und Rennräder. Übergroße Sonnenbrillen, noch immer. Coole Medienleute. Clubs und Bars. Alle haben ein Telefon mit berühungsempfindlicher Bedienoberfläche in der Hand; zumindest einen Coffee-to-go.
„Während ich, bevor Karrer verrückt geworden ist, nur am Mittwoch mit Oehler gegangen bin,
gehe ich jetzt, nachdem Karrer verrückt geworden ist, auch am Montag mit Oehler.
Weil Karrer am Montag mit mir gegangen ist, gehen Sie, nachdem Karrer am Montag nicht mehr mit mir geht,
auch am Montag mit mir, sagt Oehler, nachdem Karrer verrückt und sofort nach Steinhof hinauf gekommen ist.“
(Thomas Bernhard, Gehen)
Ich gehe gern spazieren. Gemächlich schreitend nimmt man seine Umwelt bewusster wahr und kommt dabei auf ganz neue Gedanken. Früher ging man auch gern mit mir spazieren — bis ich vor einiger Zeit meine Liebe zur Fotografie entdeckte. Seitdem stockt es; alle paar Meter bleibe ich zurück, da ich ein interessantes Motiv entdeckt habe. All dies wäre kein Problem, würde ich die Schönheit der Welt im Bild dokumentieren. Bekanntlich gibt es davon nicht allzu viel. Meine Präferenzen liegen jedoch primär im Bereich der urbanen Tristesse. Selbst schöne Städte wie Hamburg sind voll davon. Hat man einmal einen Blick dafür entwickelt, findet man überall ganz wunderbare Motive. Es geht dann nicht voran. Ich glaube, man geht nicht mehr so gern mit mir spazieren.
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Weitere Bilder meines Spaziergangs durch Hamburg-Altona auf Flickr.
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