Frage an die ältere Generation nach 7/16 des Lebens: Kommt da noch etwas? Und warum gibt es nichts für junge Leute?
Sinn macht mobil
- Beitragsautor Von bosch
- Beitragsdatum 15. Juni 2011
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Frage an die ältere Generation nach 7/16 des Lebens: Kommt da noch etwas? Und warum gibt es nichts für junge Leute?
Die Situation ist immer die gleiche, verstandesmäßige:
aufwachen, waschen, anziehen, arbeiten, sich mit der
Arbeit einlassen, nicht verzweifeln, den Versuch machen,
nicht zu verzweifeln, wir akzeptieren! Wir dürfen nicht
nachlassen in unserer Intensität!
(Thomas Bernhard, Korrektur)
Im Widerspruch zum Vorsatz, ein kurzes und intensives Leben zu führen, steht der absurde Brauch, sich zweimal täglich die Zähne zu putzen. Der unvermeidliche Umgang mit Menschen gebietet schließlich ein angemessenes Maß an Zahnhygiene.
Doch ist dies vielmehr eine vorgeschobene Rechtfertigung unseres Handelns: Tatsächlich fürchten wir uns vor einem uns selbst unnötig zugefügten Schmerz und dem dann kommenden bohrenden Dentisten. Wir gehen davon aus, dass unser ursprünglich gefasster Vorsatz, ein kurzes und intensives Leben zu führen, nicht einzuhalten ist, weil naturgemäß alles immerzu weitermacht, und lassen die Bürste regelmäßig kreisen.
Durch einen unbekannten Supermarkt irrend nach der Leergutannahme zu suchen, bietet fruchtbaren Nährboden für eine Flirtsituation. Unsere Blicke treffen einander und verraten gemeinsame Ratlosigkeit, da weit und breit kein defekter oder lediglich rudimentär funktionierender Automat zur Entgegennahme unserer Pfandflaschen zu erkennen ist. Das verbindet ungemein.
Nach einer gefühlten halben Ewigkeit des Umherirrens zwischen den Flaschenregalen entdecke ich die Leergutannahme und weise der Dame fast heldenhaft die Richtung. Beiderseits hocherfreut halten wir auf dem Weg ein kurzes Pläuschchen: „Ist aber auch wirklich zu schwierig zu finden hier.“ – „Ja, alles total unübersichtlich.“ etc.
Nicht ohne einander noch einmal zuzulächeln werden wir schließlich Flasche für Flasche unser Pfandgut los. Die Annäherung wird jedoch jäh beendet, als ich aus meinem Baumwollbeutel – für uns beide gleichermaßen unerwartet – eine halbvolle Flasche billigen Fusels ziehe, den mir jemand untergeschoben haben muss. Noch irritierter als ich schaue, blickt mich die Dame an. „Ich kenne diese Flasche überhaupt nicht“, sage ich zum hastigen Abschied. Schließlich bin ich zu dieser Spirituose gekommen wie der trockene Alkoholiker zur Fahne. Da mir die Situation dennoch unangenehm erscheint, achte ich später darauf, nicht gemeinsam mit der Dame an derselben Kasse anzustehen.
Das ist alles ist nicht weiter schlimm, denn schließlich funktionieren Supermarktflirts ohnehin nur in schlechten Fernsehwerbungen – und ich kann mir nun mit der halben Flasche einen vergnüglichen Abend bereiten. Falls mir noch jemand einfällt, der eine Vorliebe für billigen Schnaps hat, werde ich ihn dazu einladen.
Manches, was Leben das besser macht, verschwindet schleichend. Viel zu oft lässt man es einfach geschehen – aus mangelnder Aufmerksamkeit oder Unvermögen, die eigenen Wünsche zu formulieren. Irgendwann reibt man sich die Augen, und es ist nicht mehr da.
Dann steht man vor dem Supermarktregal und so weit das Auge reicht gibt es nur noch Hocherhitztes, das uns als „extra lange frisch“ verkauft wird. Es schmeckt zwar nicht so gut, hält dafür aber ein paar Tage länger im Regal: extended shelf life (ESL).
Es bedarf einer größeren Anstrengung, um das Frühere noch einmal schmecken zu können. Aber es ist lediglich eine kurze Erinnerung an das Glück vergangener Tage. Nach nur drei Nächten im Kühlschrank ist alles wieder schlecht geworden: frische Vollmilch.