Real

real_2013-06-28 20.42.10

Im Supermarkt. Die Frau hat strähnige Haare und einen verbesserungsbedürftigen Zahnstatus. Sie schaut mich an, ich schaue sie an. Blitzschnell dreht sie sich um und während sie mir ihren Rücken zudreht, erkenne ich, wie sie eine große Flasche Jack Daniel’s in ihrer abgewetzten Lederjacke verschwinden lässt. Interessehalber folge ich ihr noch eine Weile durch das Labyrinth der Warenregale, dann schüttelt sie mich routiniert ab. Ich gehe nicht über los, ziehe keine 50 Euro für die Ergreifung eines Ladendiebes ein. Shoplifters of the world unite and take over.

Abgrillen

Gartenstühle

Spät im Herbst, wenn die Tage schon kurz sind, pflegen die Russen aus dem Vorderhaus die Tradition des Abgrillens. Bis spät in die Nacht hinein sitzen sie trotz großer Kälte beisammen und garen zum letzten Mal in diesem Jahr Fleisch über glühenden Kohlen. Die Frau singt, alle klatschen, lachen, trinken Wodka.

Eingehüllt in Decken liegen wir nahe dem offenen Fenster und hören den Russen im Innenhof zu. Der Geruch von verkohltem Fleisch dringt zu uns herein, aber die Frau singt zu anrührend, als dass wir das Fenster schließen möchten. Die Frau kennt viele Lieder. Die Lieder, die sie singt, kennen wir nicht, wir verstehen sie nicht. Sie könnten von der Liebe oder von der Heimat handeln, vermutlich handeln sie von beidem. Wir warten auf Kalinka, aber Kalinka kommt nicht. Wir möchten Wodka trinken, aber wir haben keinen Wodka.

Kleine Handreichung für gelingende Abschlusspartys

Für eine gelingende Party ist unerlässlich, dass sich etwaige Redner kurz fassen mögen. Darüber hinaus ist dafür Sorge zu tragen, dass die Bereitstellung von Schnaps – bevorzugt Korn – und Butterkuchen in ausreichender Menge gewährleistet ist.

Königlicher Grill

Was uns als Größenwahn erscheint,
ist nicht immer eine Geisteskrankheit.
Oft genug ist es nur die Maske eines Menschen,
der an sich verzweifelt.

(Arthur Schnitzler)

Königlicher Grill, Champagner als Aperitif, Berliner Größenwahn als Hauptgang. Dazu zartes Fleisch, Streichholzkartoffeln und Wein. „Capitalism kills love“ blinkt in großen Lettern an der Außenwand und es ist nicht einmal ironisch gemeint. Gut sichtbar am Eingang plaziert sitzen Stuckrad und Ulmen. Letzterer besucht auffällig oft die Toilette und geht dorthin stets eine auslandende Runde durch das gesamte Lokal. Gesehen werden und gesehen werden. Der Gedanke, dass sie dafür bezahlt werden. Das Schöne an Klischees ist, dass sie meistens stimmen. Wo ist eigentlich Uslar? Zum Abgang das Herrengedeck „Deutschboden“: Ein Buch, ein Bier, ein Korn. Eigentlich will man das alles hier ablehnen, aber dafür ist es leider zu gut.

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Dieser Abend fand mit freundlicher Unterstützung von compuccino statt. Danke.