Wie schon im Vorjahr die Tour in Berlin starten. Nach 16 Jahren zurückblicken, aber trotzdem keine Routine aufkommen lassen. Vor dem Konzert noch immer ein bißchen aufgeregt im Backstageraum auf und ab gehen und dabei Cola trinken, während im Saal das Vorprogramm läuft. Retrospektive-Tour: 18 alte Lieder und ein neues. Dreierbahn fahren und Songs spielen, die in einer besseren Welt alle Hits geworden wären. Jippie! Zwei Stunden mit Schiffsschaukelbremsern, Polarlicht von Palermo, Russischbrot und Küsse. Alles hineinlegen in die Musik, alles hineinlegen in den Text. Die Worte bleiben oft rätselhaft, das dem Best-of-Album beigelegte Textbuch bereitet Freude. Zugabe, Zugabe, Zugabe. „Es klopft und niemand da, außer der ganzen Welt. Ich geh aus dem Zimmer, abgeholt und nicht bestellt.“ Die Krähen. Dann Platten signieren, Instrumente und Verstärker in den Tourbus tragen. Ein paar Freunde fassen mit an, damit es schneller geht, dann Bier trinken. Morgen weiterfahren etc.
Das neue Album „Krokus“ ist ganz wunderbar. Nicht zum ersten Mal überschlagen sich die Kritiker mit Lob – zurecht. Freitagabend, Konzert, Lido, Kreuzberg. Türsteher: „Nimm mal die Mütze ab, ich muss da mal druntergucken.“ Ich nehme die Mütze ab. Türsteher (harsch): „Das sind professionelle Ohren. Mit denen kommst Du hier nicht rein. Du musst sie an der Kasse abgeben.“ Ob es keine andere Möglichkeit gebe, frage ich. „Du hättest Dich akkreditieren können.“ „Gut, dann mache ich das“, antworte ich. „Das ging nur bis gestern.“ Ohne meine professionellen Ohren betrete ich den Konzertsaal.
Fast so war es. Nur meine Ohren sind meine Kamera. Sie wird einkassiert – obwohl Plattencover und Bühnenbild groß eine alte Leica zieren. Aber wozu auch Fotos von Konzerten machen? „Take it in your heart, instead of taking pictures“, antwortet mir jemand, nachdem ich mich auf Twitter über die Politik des Clubs ärgerte. Die Kölner Band betritt die Bühne, der erste Basslauf, mein Ärger löst sich auf.
„Petersilie“, raunt Texter und Sänger Markus Berges ins Mikrofon, aber nichts passiert. „Es soll Frauen geben, die brechen von ihren Gefühlen überwältigt vor der Bühne zusammen, wenn der kleine Mann mit der großen Brille das Wort »Petersilie« raunt“, stand am Morgen in einer Berliner Lokalzeitung. Niemand aus dem Publikum hat anscheinend die Zeitung an diesem Tag gelesen – oder der Sänger hat nicht genug geraunt.
Alles Neue und ein bißchen Altes wird in gut zwei Stunden zu Gehör gebracht. „Es ist ein Pianoalbum geworden“, behauptet der Sänger. Nicht ganz, denn Krokus ist tatsächlich auch ein Bass-, Schlagzeug-, Posaunen-, Gesangs- und Lyrikalbum. Alles hat seinen Platz, Musik und Text bilden eine Einheit. Und so erfreuen wir uns auch auf dem achten Album nicht nur an grünen Küchenkräuter, sondern auch über andere ungewöhnliche Worte wie „Silageplane“, „Bierbike“ und „Hygienemuseum“, die sich harmonisch zu „Dreierbahn“, „Drehcafé“ und „Raststättengaststätte“ gesellen. Unzählige kleine, liebevoll ausgfeilte Melodiefragmente bleiben uns im Ohr hängen. Auch auf dem neuesten Werk gibt es bei jedem Hören wieder neue Details zu entdecken.
Noch wackeln manche der neuen Lieder in den ersten Takten ein wenig. Das macht nichts, denn auch sie haben das Zeug schon bald zu Klassikern zu gehören. Befreit von der Konserve werden sie dann auch in neuem Glanz erstrahlen wie das „Vergnügungslokal mit Weinzwang“ von „Altes Gasthaus Love“ oder „Leben ist trivial“ vom Debutalbum „Das Ende der Diät“.
Zwischendurch immer wieder etwas geraunte Petersilie. Das Publikum mag das sehr – genau wie die neuen Krokusse. „Ihre Lieder sind anders“, hieß ein vor fünf Jahren erschienenes Hildegard-Knef-Coveralbum, auf dem auch die Erdmöbel vertreten waren. Aber vor allem ihre Lieder sind anders, also ganz anders als alles andere. „Wir waren sehr nervös. Schließlich ist es ein großes Risiko am Erscheinungstag der Platte alle neuen Lieder im Konzert zu spielen“, erzählte mir der Bassist Ekimas nach dem Konzert. Es ist gelungen.
Berlin wird die Erdmöbel schon bald wiederhören können – bereits am 18.10.2010 spielen sie im Babylon zur Lesung von Markus Berges erstem Roman „Ein langer Brief an September Nowak“. Aber auch durch den Rest der Republik wird dann getourt. Geht hin!
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