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Schlagwort: Liebe
„Und Sie haben also den Blues?“, fragt mich der krawattetragende Mann mit dem fränkischen Akzent, den ich noch nie zuvor gesehen habe. „Ja“, hätte ich antworten können – aber das wäre zu einfach gewesen. Es ist weniger der archaisch stampfende Blues der am Missisippi-Delta schwitzenden Baumwollpflücker, sondern eher der feinsinnigere Jazzblues Charlie Parkers: harmonisch angereichert und mit verschobenem Grundton, denke ich. Ich will die Komplexität des Lebens nicht in dieses Gespräch einbringen, kneife die Augen etwas zusammen und erwidere: „Ja, das kann man so sagen.“
Es ist Samstagabend. Eigentlich sollte er jetzt nicht hier sitzten. Hier am Hafen, allein und noch dazu bei Sonnenuntergang. Er blickt einem auslaufenden Schiff hinterher, und gern hätte er jetzt eine Zigarette geraucht. Den Tabak inhalieren und dem Rauch ein wenig hinterherzublicken; das wäre jetzt vielleicht genau das Richtige gewesen. Aber er raucht sonst nie. Gerade in diesem Moment damit zu beginnen, hätte auch nichts besser gemacht.
Pauline und Pjotr trafen einander das erste Mal auf dem Platz vor dem Planetarium. Pilze wollten sie ursprünglich sammeln, aber naturgemäß gab es auf dem Platz vor dem Planetarium keine Pilze. Plötzlich fassten sie den Beschluss, gemeinsam eine Pinte aufzusuchen. Auf den Plätzen neben ihnen saßen Männer, die weder besonders alt, noch besonders jung waren. Genau betrachtet, waren sie überhaupt nicht besonders. Die Männer spielten eine Partie Poker während sie gelangweilt an ihrem, schon etwas abgestandenem Pils nippten.
Pauline schwärmte Pjotr vom Paternosterfahren vor: Immer wenn sie traurig sei, so Pauline, deren Augen nun ein Pjotr bis dahin unbekanntes Leuchten preisgaben, fahre sie im ehemaligen Paketamt, gegenüber ihrer kleinen Wohnung, eine große Runde mit dem Paternoster. „Einmal ganz oben herum und einmal unten“, sagte sie, „sonst hilft es nicht.“ Pjotr ist noch nie Paternoster gefahren, obwohl auch er oft traurig ist. „Auf keinen Fall darf man im obersten Stockwerk aussteigen. Man muss immer weiterfahren.“, sagte Pauline. Pjotr nickte verständnisvoll, obwohl er nicht verstand, was Pauline wirklich meinte. Er konnte sie auch gar nicht verstehen, denn er ist schließlich noch nie mit einem Paternoster gefahren. Pjotrs Blick färbte sich plötzlich melancholisch und er trank seinen Pastis in einem Zuge aus. „Komm, Pauline.“, sagte er zu ihr. „Lass uns Pilze sammeln gehen.“
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Weiterführende Links:
- Wikipedia-Artikel zum Thema Paternosteraufzug
- Homepage von Wolfgang Flemming zum Thema Paternoster