Lektüre in Bus und Bahn

Bahngleistristesse

Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind leider häufig beschwerlich. Man sollte alles daran setzten, sich die Fahrzeit mit einer anregenden Lektüre so angenehm wie möglich zu gestalten. Sollte man selbst einmal keinen adäquaten Lesestoff dabei haben, so kann man die Fahrtzeit für kurze Sozialstudien nutzen und seine Mitreisenden bei dem Genuss der sie anregenden Lektüre beobachten.

Der Jurastudent

Mir gegenüber in der U-Bahn sitzt ein Junger Mann. Er trägt ein hellblaues Hemd eines amerikanischen Herstellers, dessen Logo von einem berittenen Mannschaftssportler verkörpert wird. Sein fast schulterlanges Haar ist stark gegelt und akkurat zurückgekämmt. Neben einer Umlaufmappe seines CDU-Kreisverbandes hält er jene Sammlung von Gesetzestexten in der Hand, die von seinen Kommilitoninnen gern mit Henkeln versehen und so zu einer Handtasche umfunktioniert wird. Mit bedeutsamen Gesten blättert er mit seiner von einem großen Siegelring verzierten recht fleischigen Hand in seinen Gesetztestexten. Die Überlegenheit weicht jedoch plötzlich aus seinem Gesicht, als ihn der soeben zugestiegene Fahrkartenkontrolleur nach seinem Fahrausweis fragt, den der angehende Rechtskundige jedoch vorzuweisen nicht in der Lage ist.

Der Naturbursche

Mir gegenüber in der S-Bahn sitzt ein schlechtrasierter Mann. Er trägt eine olivfarbene Hose mit weiten Taschen und am Gürtel ein riesiges Messer, mit dem man sicher ohne größere Mühen einem gefährlichen Raubtier im Handumdrehen den Garaus machen könnte. Möglicherweise hat er sein gesamtes Vermögen in zahlreiche intensive Survivaltrainings investiert, was eine Erklärung dafür sein könnte, dass er sich nicht standesgemäß in einem vor Pferdestärken strotzendem Geländewagen fortbewegt, sondern auf die preisgünstigeren Transportmöglichkeiten des öffentlichen Personennahverkehrssystems zurückgreifen muss. Während man fast zusehen kann, wie sein Bart von Minute zu Minute wächst, blättert er, das Messer jederzeit griffbereit, im Blinker – Europas größter Anglerzeitschrift und träumt von einer Alster voller exotischer Raubfische.

Eine Bahnfahrt, die ist nicht immer lustig

Koffer

Eigentlich fahre ich gern mit der Bahn. Natürlich gibt es viele Gründe, die dagegen sprechen, aber auch einige dafür. Für meine unregelmäßigen Fahrten in die schleswig-holsteinische Provinzheimat haben sich in der letzten Zeit die Züge der privaten Nord-Ostsee-Bahn (NOB) als respektable Alternative zur bimmelnden und meist bummelnden Regionalbahn des Großkonzerns mit Börsenambitionen herausgestellt. Die Züge sind moderner und aufgeräumt, man kann eine Fahrkarte im Zug nachlösen, ohne dabei an den Schwarzfahrerpranger gestellt zu werden, und der Service ist freundlicher. Letzeres dachte ich zumindest bis Sonntag, als ich den Dialog zwischen einer mit diversen Koffern und Taschen bepackten älteren Damen und einem Zugbegleiter der NOB, ich möchte ihn im Verlauf des weiteren Textes einfach Schaffner nennen, direkt neben mir mitbekam.

Schaffner (leicht sauertöpfisch): „Wohin fahren Sie?“
Dame: „Ich fahre bis Sylt.“
Schaffner (grantig, mürrisch und missmutig): „Solange kann der Koffer nicht hier stehen bleiben. Der versperrt den Weg.“
[Anm. Einer ihrer Koffer stand im Gang, parallel zum Sitz.]
Dame: „Ich kann den Koffer aber nicht auf die Ablage heben, der ist zu schwer.“
Schaffner (unwirsch): „Dann schieben sie ihn unter den Sitz. Der Koffer muss da weg.“
Dame: „Der Koffer passt aber nicht unter den Sitz.“
[Anm. Der Koffer war wirklich viel zu groß, um ihn unter dem Sitz zu verstauen.]
Schaffner (verdrießlich): „Egal, der Weg muss frei sein.“

… sprach der Schaffner und verschwand in seinem Dienstabteil, um mit Engelszungen und freundlichster Stimme die Fahrgäste auf dem Weg nach Westerland zu begrüßen, die Vorzüge der Nord-Ostsee-Bahn zu preisen und die Angebote des Cateringwagens anzukündigen. Warum dieser Schaffner der Dame nicht half, den Koffer auf die Ablage zu heben, bleibt mir ein Rätsel. Ich stellte den Koffer hinauf; der Schaffner hätte es in der Zeit, die er mit der Diskussion verbrachte, sicher fünf Mal geschafft. Unmöglich, das.

Noch mehr Bahnspaß gibt es bei Bedarf hier.

Radkappenschändung

Radkappe oder Aluminiumfelge?

Soeben habe ich eine Frau beim Einparken beobachtet, die mit ihrem Fahrzeug in einem ungünstigen Winkel und mit zu hoher Geschwindigkeit in eine Parklücke stieß, so dass mir dabei das vertraute Geräusch zerberstender Radkappen zu Ohren kam. Es hätte natürlich genauso gut ein Mann sein können, der sich des fehlerhaften Einparkens schuldig machte; das wäre gar keine Schande gewesen, schließlich sind Parkräume in Großstädten rar und die für das Abstellen eines Personenkraftwagens vorgesehenen Lücken sehr eng. Es war aber nun einmal eine Frau.

Kurz nachdem ich, vermutlich gegen den Willen meines Fahrlehrers, der sicher gern noch einige gut bezahlte Übungsstunden mit mir verbracht hätte, die Fahrerlaubnis für das Führen eines Kraftfahrzeuges erlangte, ging in unserer Famile ein Fluch um. Etwa einmal wöchentlich war eine der aus Kunststoff gefertigten Radkappen des gemeinschaftlich genutzten Familien-PKWs in Folge eines unsachgmäßen Einparkvorganges beschädigt. Mein Vater verdächtigte mich, ich verdächtigte meine Mutter, meine Mutter verdächtigte meinen Vater der Radkappenschändung.

Der Kreislauf des gegenseitigen Misstrauens wurde erst durchbrochen, als mein Vater vor den Augen der gesamten übrigen Familie beim Einfädeln in eine Parkbucht einen Bordstein so touchierte, dass das mir heute wieder in Erninnerung gerufene Berstgeräusch erstmalig zu Ohren kam. Zum Leidwesen der KfZ-Zubehörindustrie, die damals gute Geschäfte mit der Ersatzlieferung von Kunststoffradkappen machte, stieg man in Folge dieses Ereignisses stillschweigend auf unzerstörbare Aluminiumfelgen widerstandsfähigeres Felgenmaterial um. Wahlweise hätten wir natürlich auch eine Einparkhilfe besorgen können, aber so sieht das Auto nun auch noch besser aus.

Trinken auf Rädern

Vor ein paar Tagen hatte ich bereits das Vergnügen, an dieser Stelle ein Bild eines amüsanten Biertransporters zu veröffentlichen. Zwischenzeitlich hatte ich die Gelegenheit, einen ebenfalls in diese Reihe passenden mobilen Schankstand abzulichten, welchen ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte:

Trinken auf Rädern

Ein lustiger Begleittext zu diesem Photo fällt mir leider im Moment nicht ein, aber das Bild spricht ja auch für sich. In diesem Sinne: Prost!