Warteschlangengeschichten Teil 8

Warteschlange

Manche Redewendungen sind so abgedroschen, dass ich sie einfach nicht mehr hören will. Wenn ich schon an sie denke, rollen sich mir abwechselnd die Fußnägel auf, gehe ich in die Luft, platzt mir der Kragen, geht mir das Messer in der Tasche auf und mir geht der Hut hoch. Zu Tode geärgert habe ich mich jedoch bislang noch nicht.

Heute allerdings war ich – wie man so schön sagt – auf der Post und musste mich wie üblich, um mein Anliegen dem zuständigen Schalterbeamten vortragen zu können, zunächst in die serielle Warteschlange einreihen. Abwechselnd waren alle, manchmal aber auch gar kein Schalter mit Mitarbeitern des globalen Briefdienstleisters besetzt. Auf mein Vorankommen in der Warteschlange hatte dies jedoch keinerlei Auswirkungen. Fast 20 Minuten blieb ich auf derselben Stelle stehen. Da bekommt das Wort Standbriefkasten doch eine ganz neue Bedeutung.

Ich sage es nur ungern, aber das ist eindeutig: Nicht vergnügungssteuerpflichtig.

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Warteschlangengeschichten Teil 7

Rolltreppe

An meiner heimischen U-Bahn-Station gibt es eine neue Errungenschaft: Eine Rolltreppe, die ihre Richtung wechselt. Nicht, dass es so wäre, dass, wenn man gerade auf ihr stünde und sich nach oben befördern ließe, die Fahrtreppe eigenmächtig, sobald man sich auf der Hälfte des Weges befände, dazu entschlösse, den Fahrgast wieder zu seinem Ausgangspunkt, an den Fuß der Treppe, zu befördern. Nein, die Sache stellt sich viel schlichter dar. Ab 10 Uhr, sobald auch der verschlafenste Berufspendler seine Arbeitsstätte erreicht hat, und die Treppe ohnehin den größten Teil des Tages unbenutzt und hoffnungsfroh auf den nächsten Bahnfahrer wartet, den sie seinem Ziel ein kleines Stückchen näher bringen könnte, wandelt sich diese auf den ersten Blick ganz gewöhnliche Rolltreppe zu einem Lehrstück in Sachen künstliche Intelligenz, in Fachkreisen auch als KI bekannt. Nähert sich ihr jemand von oben und löst damit eine Lichtschranke aus, so befördert die Fahrtreppe diese Person nach unten und verfällt danach wieder in ihren gewohnten Ruhezustand. Dasselbe geschieht, wenn sich ihr jemand von unten nähert. Sobald der Fahrgast die Lichtschranke am unteren Ende passiert, fährt die Treppe nach oben. Eigentlich ein ganz einfaches Prinzip, so man es denn verinnerlicht hat.

Warteschlangengeschichten Teil 6

flickr: Wochenmarktstand

In der Warteschlange vor dem mobilen Verkaufsstand einer Hamburger Biobäckerei geht es leider nur mühsam voran. Die Verkäuferin ist wie immer etwas zu übereifrig und noch lange, bevor ich die Gelgenheit habe, meine Müslistange und ein Dinkelbrötchen zu bestellen, weiß ich, welcher Dialog so genau Wort für Wort gleich nach dem freundlichen Begrüßungsprozedere folgen wird:

Ich: „Eine Müslistange und ein Dinkelbrötchen, bitte.“
Verkäuferin: „Und worauf haben Sie noch Appetit?“
Ich: „Da gäbe es sicher eine ganze Menge, aber ich bleibe bei meiner Bestellung.“

Passend reiche ich das abgezählte Münzgeld über den Bedienungstresen und dann stellt sie mit größtmöglicher Selbstverständlichkeit die nächste Frage, bei der mir jedesmal Nackenhaare wachsen, um sich sogleich senkrecht aufzustellen.

Verkäuferin: „Brot haben Sie noch zuhause?“

Von diesem Dialog gibt es keinerlei Abweichung. Wer dies nicht glauben kann, sollte einmal an einem Donnerstag auf dem Wochenmarkt am Hamburger Schulterblatt oder an einem Freitag in Ottensen versuchen, kein Brot zu erwerben. Ich kaufe gern ein und lasse mir auch gern etwas verkaufen, aber diese penetrante Art der Suggestivfragerei bringt mich auf die Palme.

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Warteschlangengeschichten Teil 5

Sie fahren eine Rolltreppe herunter und bleiben danach stehen. Sie verlassen einen Personenaufzug und bleiben danach stehen. Sie verlassen eine U-Bahn und bleiben danach stehen. Einfach so, kein Schritt mehr, als hätte sie der Blitz getroffen. Hinter ihnen bricht vollkommen unerwartet das Chaos aus.

So entstehen Warteschlangen aus dem Nichts. Was bringt diese Leute nur dazu, einfach stehenzubleiben?

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