Fehlentscheidungen

U-Bahnhof Hallesches Tor, Berlin

“Ich bereue nichts im Leben –
außer dem, was ich nicht getan habe.”

(Coco Chanel)

„Dein Problem ist, dass du dich für nichts entscheiden kannst, bosch. – Nicht für eine Stadt, nicht für einen Job, nicht für eine Frau“, sagt mir der flüchtige Bekannte, dem ich nur alle paar Monate zufällig über den Weg laufe, unvermittelt auf den Kopf zu.

Keine so schlechte Analyse, denke ich. Jedoch wird es nicht leichter, wenn sich bewusst getroffene Entscheidungen im Nachhinein zumeist als falsch herausstellen.

Zweifel

Zweifle nicht
an dem
der dir sagt
er hat Angst

aber hab Angst
vor dem
der dir sagt
er kennt keinen Zweifel

(Erich Fried)

Unter den Linden, Berlin: Noch vor wenigen Jahren stand an dieser Stelle der Palast der Republik. 2005 hat ein norwegischer Künstler in sechs Meter hohen neonleuchtenden Buchstaben das Wort ZWEIFEL auf das Dach des Gebäudes der ehemaligen Volkskammer der DDR montiert. Heute befindet sich ebendort eine etwas unwirklich erscheinende Rasenfläche, in die jemand ein Herz geschabt hat.

Zweifel, so dachte er häufig, klingt eigentlich gut, und meinte dabei aber mehr den Sound als die Bedeutung des Wortes. Er zweifelte oft an sich und der Welt; an dem, was er tat oder nicht tat. Gelegentlich traf er auf Leute, die so überzeugt von sich und der Richtigkeit ihres Handels waren, dass er daran sogar verzweifelte.

2008 wurde das Gebäude abgerissen. Der Zweifel blieb.

Mit dir ist alles doof

„In zweifelhaften Fällen entscheide
man sich für das Richtige.“

(Karl Kraus)

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass zu viele Optionen den Menschen unglücklich machen. Schlimmer ist es indes, allein am Frühstückstisch zu sitzen, und lediglich die Wahl zwischen einer Nürnberger-Weihnachtsmarkts-Tasse und einer Diddl-Maus-Horoskop-Tasse zu haben. In diesen Momenten ahnt man, dass Pest und Cholera gar nicht so schlecht sind.

Scheinfrühling

Die Luft ist warm
und das Leben sieht bunt aus.
Die einen haben,
gehen mit ihrem Hund raus.
Ich wollt’n Text schreiben
und bin zu Haus geblieben
Ich geh durch die Wohnung mit gemischten Gefühlen,
besteig meinen Thron
und sitze zwischen den Stühlen.

(Blumfeld)

Durch das geschlossene Fenster wirkt dieser Januartag frühlingshaft. Zum Glück ist es kalt draußen, sonst wäre dieser plötzliche Umschwung kaum auszuhalten. Vor dem Nola’s am Weinberg, einem schweizer Lokal in Mitte, sitzt man in Decken gehüllt auf Liegestühlen: Ein kleiner Zauberberg – mit mehr Milchkaffee und weniger Tuberkulose.

Während die einen bemüht sind, die ersten Sonnenstrahlen einzufangen, sind die anderen damit beschäftigt, Dinge komplizierter zu machen. Dieser Frühlingstag ist ein trügerischer Schein – es ist Ende Januar; Winter.