Winterfrische auf Rügen – Teil 4: Königsstuhl

Man kann nicht immer nur spazierengehen. Manchmal muss man auch hinaus auf die hohe See. Am besten auf einem Ausflugsdampfer. Wer einmal eine Reise auf Adler Mönchgut tat, der weiß, dass einen nicht nur das milde Reizklima an der Ostsee, sondern auch „Lieder so schön wie das Morden“, in denen unablässig die Pracht der mecklenburgischen Insellandschaft besungen wird, abhärten können.

... auf dem Ausflugsdampfer
Auch die anderen Fahrgäste hatten ihre Freude auf dem Ausflugsdampfer.

Vom Schiff aus hat man einen herrlichen Blick auf die berühmten Kreidefelsen und einen noch herrlicheren Ausblick auf die Mitreisenden, welche auch hier bevorzugt im Partnerlook anzutreffen sind. Außerdem bringt so eine Ausfahrt nicht nur Abhärtung, sondern auch Sicherheit: Caspar David Friedrichs Lieblingskreidefelsen sind längst im Meer versunken. Sie sind jedoch nicht unter der Last der spazierengehenden Touristen zusammengebrochen, wie der Anblick des obigen Herren vielleicht vermuten ließe, sondern werden nach und nach von extremen Niederschlägen dahingerafft.

Bevor das dem Untergang geweihte Eiland allerdings komplett versinkt, sollte man noch einmal Herrn Boys Ratschlag folgen und in den Binzer Bierstuben Fisch essen. Diese Erinnerungen wird mir niemand nehmen können, auch wenn sich das Meer die Insel längst zurückgeholt hat.

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Weitere Folgen meines Reiseberichtes finden sich hier.

Wo Wolfgang Schäuble gern Kaffee trinken geht: Balzac Coffee

Balzac Coffee
Filiale von Balzac Coffee im Hamburger Univiertel

Bundesminister des Inneren Dr. Wolfgang Schäuble: „Ich möchte Kaffee trinken.“
Adjutant Dr. Taschenträger: „Ich kenne hier in der Nähe ein sehr schönes Café namens Balzac Coffee. Sie werden sich dort bestimmt wohlfühlen, Herr Minister.“
Wolfgang: „Ist es weit?“
Adjutant: „Nein, ganz nah, es liegt nur wenige Umdrehungen entfernt.“
Wolfgang: „Ist es auch sicher dort?“
Adjutant: „Sehr sicher, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Alle Kunden werden während ihres Aufenthalts dort videoüberwacht. Das Café verfügt über modernste Technik. Die aufgezeichneten Bilder werden sofort mit den biometrischen Reisepassdaten abgeglichen. Sollte ein vermeintlicher Terrorist einen Latte macchiato halbfett mit Sojamilch bestellen, wird vollautomatisch die GSG9 alarmiert. Die Türen verriegeln sich selbsttätig bis zum Eintreffen der Einsatztruppe.“
Wolfgang: „Mhh.“
Adjutant: „Dieses Café hat den Förderpreis für Staatssicherheit des Bundesministeriums für Inneres 2007 und 2008 gewonnen und ist offizieller Sponsor der Innenministerien aller CDU-regierten Bundesländer.“
Wolfgang: „Auch von Hamburg, da regieren doch demnächst die Grünen?“
Adjutant: „Gerade in Hamburg. Hier wurde das Balzac-Imperium schließlich ins Leben gerufen. Es besteht ein direkter Draht zu Innensenator Nagel in Form eines beidseitigen Techniktransfers. Dank des Einsatzes der Videotechnik in der Kaffeehauskette konnte die Videoüberwachung der gesamten Ausgehmeile rund um die Reeperbahn sowie großer Teile des alternativen Stadtteils St. Georg sichergestellt werden.“
Wolfgang: „Das gefällt mir. Was gibt es sonst über diesen Coffeeshop zu berichten?“
Adjutant: „Eigentlich sollte es ja noch ganz vertraulich bleiben, aber Vanessa Kullmann, die Unternehmensgründerin, berichtete mir, dass die Hauptabteilung „Aufklärung“ der Cafékette gerade dabei ist, einen Geschirrspüler zu entwickeln, der auf den benutzten Kaffeetassen sowohl die von den Kunden hinterlassenen Fingerabdrücke einliest als auch deren DNA-Spuren speichert. Die gesammelte Datenmaterial wird dem Innenministerium selbstredend zugänglich gemacht.“
Wolfgang: „Und gibt es bei Balzac Coffee auch W-LAN?“
Adjutant: „Selbstverständlich kann man dort kabellos im Internet surfen. Sobald sich ein Besucher des Coffeeshops in das Netz einwählt, wird automatisch der Bundestrojaner installiert.“
Wolfgang: „Ganz wunderbar, gefällt mir sehr, diese Frau Kullmann. Vielleicht sollte ich sie zu meiner neuen Staatssekretärin machen. Gibt es auch etwas Negatives zu berichten?“
Adjutant: „Kürzlich klagte ein Kunde der Kaffeekette gegen die Videoüberwachung. Die Entrüstung darüber hielt sich jedoch nur sehr kurz und ebbte ab, nachdem das Unternehmen vorgab, die Videokameras umgehend zu entfernen. Die Kunden hielten dem Unternehmen die Treue, allen voran die Kreisverbände der Jungen Union und die Neigungsgruppe „Big Brother“. Nach und nach kamen auch die alten Stammkunden zurück, sodass der Wahl Frau Kullmanns zur „Unternehmerin des Jahres“ auch diesem Jahr nichts mehr im Wege steht. Ist ja auch alles halb so schlimm, wie das Unternehmen seinen Kunden auf Anfrage mitteilte. Selbstverständlich wurden mittlerweile in allen Filialen Videokameras mit modernster Nanotechnologie installiert, die für das menschliche Auge nicht mehr zu erkennen sind. Schließlich muss die Überwachung weitergehen.“
Wolfgang: „Taschenträger, machen Sie mir einen Termin mit der Dame, ich muss sie unbedingt kennenlernen.“
Adjutant: „Sehr wohl, Herr Minister.“

Winterfrische auf Rügen – Teil 3: Prora

KdF-Seebad Prora, Rügen

Binz ist der wahrgewordene Aufbau Ost. In weiße Farbe getauchte Strandvillen versprühen hier noch immer den Badeortcharme vergangener Jahrhunderte. Einzig der Ortsteil Prora vermag die Ostseeidylle zu stören. Prora, allein schon dieser Name. Sozialistisch klingt er irgendwie, wenn nicht sogar nationalsozialistisch. Dabei handelt es sich tatsächlich gar nicht um die Wortneuschöpfung eines diktatorischen Regimes, sondern ganz harmlos um die Bezeichnung der umgebenden Landschaft.

Bekannt ist Prora vor allem für eine gespenstische Ruine, die auch „der Koloss von Prora“ genannt wird: eine 4,5 km lange Gebäudekette mit sechs Stockwerken, welche die Köpfe der nationalsozialistischen Freizeitorganisation „Kraft durch Freude (KdF)“ ersannen. Vom Strand aus betrachtet ist die größte bauliche Hinterlassenschaft des „Dritten Reiches“ von Bäumen verdeckt und wirkt unscheinbarer, als man es sich der Beschreibung nach vielleicht vorstellt. Dennoch geht von diesem Gebäude etwas Bedrückendes aus, sodass nicht einmal die wohlwollende Tourismuszentrale es wagte, Prora als Ortsteil mit „sprödem Charme“ anzupreisen.

Im „Seebad der Zwanzigtausend“ sollten 20.000 Menschen gleichzeitig für einen geringen Preis jeweils zwei Wochen in Zimmern von 2,5 mal 5 Metern Größe mit Seeblick Urlaub machen. Nachdem das NS-Regime die Organisationen und Parteien der Arbeiter 1933 zerschlagen hatte, versuchte es, die Arbeiterklasse für seine Kriegs-, Lebensraum- und Rassenpolitik einzunehmen. KdF-Führer Robert Ley hatte also weniger die Erholung im Blick als Gleichschaltung und Kontrolle. Die Tagesabläufe der Urlauber sollten streng geregelt werden: von der gemeinsamen Einnahme der Mahlzeiten über organisierte Schwimmkurse und Leibesertüchtigung bis hin zum uniformen Strohhut für die Damen wollten die Nationalsozialisten nichts der individuellen Gestaltung des Urlaubers überlassen. Zur Bekanntgabe der Uhrzeiten der jeweiligen Aktivitäten war die Anbringung von Lautsprechern in allen Zimmern geplant.

re:publica. Eine Konferenz.

Thomas Bernhard

Drei Tage Berlin: Podiumsgespräche, Gezwitscher und Begegnungen – in dieser Reihenfolge. Obwohl die re:publica ganze drei Tage in den Terminkalendern der teilnehmenden Netzbewohner in Anspruch nahm, war die Zeit knapp bemessen. Oft blieb nur wenig Raum für Diskussionen, aber vielleicht war dieser auch gar nicht erforderlich. Die immer selben Diskussionsteilnehmer treffen auf die immer selben Fragesteller zu den immer selben Themen. Selbstredend findet auch dies vor den immer selben Zuschauern statt; das kann den Diskussionsbedarf schon einschränken, trübt aber meine Freude an dieser wunderbaren Konferenz nicht im geringsten. Da alle Panels ausführlich in Bild und Ton dokumentiert wurden, habe ich die Gelegenheit genutzt, um den einen oder anderen (und die und den und die und den und den und den und alle, die ich vergessen habe zu erwähnen) Insnetzschreiber zu treffen – und diese erfreulichen Erfahrungen nehme ich von der re:publica’08 mit nach Hause. Den vor Ort aufgezeichneten Podcast indes übergebe ich hiermit der an ihm interessierten Minderheit.

Wieder daheim angekommen, nutze ich die erste Gelegenheit, mich zur Regeneration den alten Medien zuzuwenden und suche ein Antiquariat auf. Zum ersten Mal in meinem Dasein als Konsument mache ich die Erfahrung, dass man Verkäufer unglücklich machen kann, indem man eine von ihnen feilgebotene Ware erwirbt. In diesem Fall handelt es sich um drei sehr preiswert erstandene Erstausgaben Thomas Bernhards, welche der Mann an der Kasse, wie er mir mit einer kleinen Träne im Auge erzählt, auch gern selbst erworben hätte, so er sie denn rechtzeitig entdeckt hätte. Des einen Freud, des anderen Leid, denke ich, während ich mich ob des Schnäppchens beschwingt von dem Verkäufer verabschiede, welcher mir wiederum etwas gequält einen schönen Tag wünscht.