Was wir brauchen: Täglich eine neue Sau, die wir durchs virtuelle Dorf treiben können. Im folgenden skizziere ich kurz die drei Eskalationsstufen der Sautreibung auf Facebook:
1. Leute, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat
Menschen sind neugierig. Das ist auch in Ordnung. Sie wollen wissen, wer ihr Facebook-Profil angesehen hat. Dafür klicken sie auf dubiose Links, die ihnen eben dies versprechen. Die Sache hat nur einen Haken: so herum funktioniert es nicht. Man kann nämlich ausschließlich die Seiten ansehen, die man selbst auch ansieht. So einfach ist das.
Wer damit nicht leben kann, muss sich ein kostenpflichtiges Premiumkonto einer Partnersuchbörse oder einer Business-Netzwerk zulegen. Da geht das.
2. Leute, die genervt sind von Menschen, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat
Die Leute sind schnell genervt. Das ist auch in Ordnung. Insbesondere, wenn ihr Facebook zunehmend von Spam zugemüllt wird. Dieser kommt von den unter Punkt eins genannten Nutzern, die gutgläubig auf nicht zu erfüllende Versprechen hereinfallen.
Einige beklagen sich über Menschen, die doof sind, und Spam anklicken. Andere machen Witzchen über die Naiven, die mit „Deine Mudda“ oder „Chuck Norris“ anfangen. Manche laden sogar ihre Gesichtsbuchfreunde zu Veranstaltungen ein, auf denen man sehen können soll, wer zu dämlich für Facebook ist. Auf jeden Doofen, der Spam postet, kommt ein anderer Doofer, der sich über ihn beschwert.
3. Menschen, die von Leuten, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat, und von Leuten, die sich über Leute, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat, lustig machen, genervt sind
Irgendwann ist die eine Hälfte des Fratzenbuchs voller Spam von Leuten, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat. Und die andere Hälfte voll von Postings, die sich über Leute, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat, beklagen. Das ganze Internet ist kurz davor zu explodieren. Das ist nicht in Ordnung.
Wer bis jetzt weder zur ersten noch zur zweiten Gruppe zählt, möge kurz innehalten. – Was droht: die Content-Schmelze. Diese ist nur abzuwenden, wenn die dritte hier bezeichnete Gruppe besonnen handelt und nicht weiter an der Eskalationsschraube dreht, und die ersten beiden Gruppen endlich damit aufhören, so unfassbar dämlich zu sein. Dann können wir uns nämlich wieder Dingen, wie Guttenberg, Fukushima oder Datenschutzdebatten zuwenden, die zwar auch stets einen Tag später wieder vergessen sein werden, aber wenigstens einen mittelgroßen Anteil unseres Aufregungspotentials verdient haben.
Außenseiter sein, bescheuerte Eltern haben, in Mädchen verlieben, nicht zur Party eingeladen werden, Freund finden, Bild malen, alten Lada klauen, Musik hören, Wegfahren, Abenteuer erleben, fast küssen, Himbeeren essen, angeschossen werden, Unfall bauen, verhaftet werden, Ärger kriegen, nach Hause kommen, in den Pool springen.
All das und noch viel mehr ist Tschick – ein Roman WolfgangHerrndorf. Jeder, der das Buch gelesen hat, hat es gern getan und täte es jederzeit wieder. Ich auch.
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