Jeden Monatsbeginn wundert man sich, welches Deppchen nun schon wieder die Karriereleiter hinauf gefallen ist. Nicht neu erworbenen Fähigkeiten werden bekanntgegeben, sondern neue Titel monstranzgleich vor sich hergetragen.
Manchmal freue ich mich kurz, wenn jemand erfolgreich dem Steinbruch der Karrieredarstellung entflieht, den Angestelltenkittel an den Nagel hängt und sich verabschiedet. Um auf Weltreise zu gehen oder einfach nur, um Aktivist für das bedingungslose Grundeinkommen, den Klimaschutz oder ein besseres Urheberrecht zu werden. Die meisten allerdings verlagern die Zurschaustellung ihres sogenannten Werdeganges jedoch lediglich zu LinkedIn.
Nur heute am 1. April ist das alles nicht so schlimm, da die leise Hoffnung besteht, dass tatsächlich alles nur ein Scherz sein könnte.
Was wir brauchen: Täglich eine neue Sau, die wir durchs virtuelle Dorf treiben können. Im folgenden skizziere ich kurz die drei Eskalationsstufen der Sautreibung auf Facebook:
1. Leute, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat
Menschen sind neugierig. Das ist auch in Ordnung. Sie wollen wissen, wer ihr Facebook-Profil angesehen hat. Dafür klicken sie auf dubiose Links, die ihnen eben dies versprechen. Die Sache hat nur einen Haken: so herum funktioniert es nicht. Man kann nämlich ausschließlich die Seiten ansehen, die man selbst auch ansieht. So einfach ist das.
Wer damit nicht leben kann, muss sich ein kostenpflichtiges Premiumkonto einer Partnersuchbörse oder einer Business-Netzwerk zulegen. Da geht das.
2. Leute, die genervt sind von Menschen, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat
Die Leute sind schnell genervt. Das ist auch in Ordnung. Insbesondere, wenn ihr Facebook zunehmend von Spam zugemüllt wird. Dieser kommt von den unter Punkt eins genannten Nutzern, die gutgläubig auf nicht zu erfüllende Versprechen hereinfallen.
Einige beklagen sich über Menschen, die doof sind, und Spam anklicken. Andere machen Witzchen über die Naiven, die mit „Deine Mudda“ oder „Chuck Norris“ anfangen. Manche laden sogar ihre Gesichtsbuchfreunde zu Veranstaltungen ein, auf denen man sehen können soll, wer zu dämlich für Facebook ist. Auf jeden Doofen, der Spam postet, kommt ein anderer Doofer, der sich über ihn beschwert.
3. Menschen, die von Leuten, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat, und von Leuten, die sich über Leute, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat, lustig machen, genervt sind
Irgendwann ist die eine Hälfte des Fratzenbuchs voller Spam von Leuten, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat. Und die andere Hälfte voll von Postings, die sich über Leute, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat, beklagen. Das ganze Internet ist kurz davor zu explodieren. Das ist nicht in Ordnung.
Wer bis jetzt weder zur ersten noch zur zweiten Gruppe zählt, möge kurz innehalten. – Was droht: die Content-Schmelze. Diese ist nur abzuwenden, wenn die dritte hier bezeichnete Gruppe besonnen handelt und nicht weiter an der Eskalationsschraube dreht, und die ersten beiden Gruppen endlich damit aufhören, so unfassbar dämlich zu sein. Dann können wir uns nämlich wieder Dingen, wie Guttenberg, Fukushima oder Datenschutzdebatten zuwenden, die zwar auch stets einen Tag später wieder vergessen sein werden, aber wenigstens einen mittelgroßen Anteil unseres Aufregungspotentials verdient haben.
Wenn es um Datenschutz, Allgemeine Geschäftsbedingungen oder die Vereinnahmung des gesamten weltweiten Netzes durch die Einführung von „Mag-ich-Knöpfen“ geht, ist das Fratzenbuch stets für einen Aufreger gut. Das ist nicht mein Thema.
Obwohl ich Web2.0-Diensten grundsätzlich offen gegenüber stehe, habe ich Facebook erst relativ spät für mich entdeckt. Seit etwa einem Jahr nutze ich es mehr oder weniger intensiv: Im Gegensatz zu XING versammeln sich hier überwiegend Kontakte privaterer Natur; zudem treffen hier zwei Welten aufeinander. Während bei Twitter nach wie vor eine überwiegend netzaffinere Runde gesellig miteinander zwitschert, hält mich das Gesichtsbuch auch über das Leben meiner Offlinefreunde auf dem Laufenden. Für sie scheint die Hemmschwelle, den Freundeskreis via Statusmeldung über aktuelle Ereignisse ihrem Leben zu informieren oder ein Bild zu veröffentlichen, kleiner zu sein, als zu bloggen, zu twittern oder ein Foto bei Flickr hochzuladen. Mittels Druck auf einen Button kann man ohne großen Aufwand Anteil am Leben seiner Freunde nehmen, in Facebook-Nachrichten im Hintergrund sind schnell ein paar persönlichere Zeilen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, verfasst. Eine E-Mail zu schreiben wirkt dagegen fast so anachronistisch wie eine Postkutsche auf den Weg zu bringen. All das mag ich.
Was mich an Facebook indes zunehmend nervt, sind Kontaktanfragen folgender Art:
Kommentarlose Kontaktanfragen von Personen, die ich überhaupt nicht zuordnen kann. Ich gebe zu, ich habe ein eher schlechtes Namens- und Gesichtergedächtnis. Deshalb grüble ich oft und lange, woher ich diesen Menschen, der soeben im sozialen Netzwerk mein Freund werden wollte, kennen könnte. Doch zumeist will mir auch nach längerem Nachdenken nichts einfallen. Manchmal klicke ich einfach auf „ignorieren“, manchmal – wenn ich gut gelaunt bin – frage ich einfach nach: „Woher könnten wir uns kennen?“ Die ernüchternde Antwort ist oft: „Wir kennen uns nicht, aber wir haben 37 gemeinsame Freunde.“ Aha.
In selteneren Fällen jedoch habe ich tatsächlich schon einmal ein paar Worte mit dem Anfragenden gewechselt oder wir sind uns irgendwo in den Weiten des Netzes begegnet. In diesen Fällen stimme ich dem Kontaktwunsch grundsätzlich gern zu, halte es aber für eine wünschenswerte Geste, mir mit ein paar Worten auf die Sprünge zu helfen. Man kann Kontaktanfragen nämlich auch mit einem Begleittext wie „Hallo bosch, wir haben letztes Jahr auf der Geburtstagsparty von Erna Müller miteinander geknutscht …“ versehen. Ich weiß dann vielleicht, um wen es sich bei der anfragenden Person handelt, und erspare ihr lästige Rückfragen oder einen unberechtigten Korb.
Schwachsinnige Kontaktanfragen nehmen ebenfalls stark zu. Hier ein Beispiel:
„Betreff: Willst du nicht im der [Nachname einsetzen] Facebook … sein :-)
Ich bin Ingo [Nachname einsetzen] und suche [Nachname einsetzen] für meine [Nachname einsetzen] Comunity :-)
Sei doch dabei! Aufnahme Bedinnung ist heiße [Nachname einsetzen] ;-) nur [Nachname einsetzen] hat Zutritt :-)“
Nein, das will ich nicht. Ich will mich genau so wenig mit Leuten vernetzen, die zufällig denselben Nachnamen tragen wie ich, wie ich mich mit Besitzern von Kühlschränken, Liebhabern von Gurkensalat oder Leuten ohne Weisheitszähnen vernetzen möchte. Zumindest nicht ausschließlich aus diesem Grunde.
Anfragen von Kontaktsammlern erfreuen mich ebenfalls wenig. Kontaktanfragen lauten gern so: „Bei 53 gemeinsamen Freunden sollten wir uns auch vernetzen, oder?“ Ich frage daraufhin: „Warum?“ und erhalte als Antwort „Warum nicht?“ Das ist an sich ganz einfach zu beantworten: Ich will nicht, dass mein ganzer Facebook-Stream von Statusmeldung mir unbekannter Menschen zugemüllt wird. Außerdem möchte ich die für meinen Freundeskreis bestimmten Statusmeldungen, Bilder und Links nicht mit mir unbekannten Menschen teilen (ja, ich weiß, man kann die Privatsphäreeinstellungen so vornehmen, dass nicht alle Kontakte alle Informationen erhalten, aber darum geht es hier nicht).
Auch offensichtlicher Kontaktspam ist eine unschöne Sache. Ich lehne es ab, wenn sich Spirituosenhersteller, Ortsverbände fragwürdiger politischer Parteien oder Evangelische Redaktionen als natürliche Personen anmelden, und plötzlich mein Freund werden wollen. Dafür gibt es Gruppen oder Unternehmensseiten. Von Unternehmen muss man neuerdings nicht einmal ein Fan werden, sondern darf sie einfach mögen. Muss es aber nicht.
Um es auf den Punkt zu bringen: Bleibt locker, seid freundlich. Genau wie es man es im richtigen Leben auch von Euch erwarten würde. Dann klappt es auch im Netz. Vielen Dank.
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