Morgen ist es wieder so weit. Eigentlich kommt er nur, um das Treppenhaus zu reinigen. Aber er okkupiert es regelrecht mit seinen Feudeln. Etage für Etage ist für ihn feindliches Gebiet. Montags traue ich mich nicht, beim Bäcker Brötchen zu holen. Denn das hieße für mich, gleich zwei Mal sein feudelvermintes Gebiet zu durchqueren. Begrüße ich den Putzmann mit einem freundlichen „Guten Morgen!“, so dreht er sich demonstrativ um und murmelt irgendetwas Unverständliches, das jedoch ganz sicher nichts Freundliches zu bedeuten hat. Ich glaube, er hasst mich, obwohl es bestimmt schlimmere Treppenhäuser gibt. Er ist the grumpiest man alive. Aber das ist okay.
500 Jahre Reinheitsgebot sind genug. Man glaubt ja gar nicht, was man so alles verpasst, wenn man vor dem heimischen TV-Gerät sitzt und dabei kästenweise Regenwälder rettet. All das in dem guten Glauben, deutsches Bier sei das beste auf der Welt. Während es hierzulande strengstens verboten ist, den Sud mit einer Kirsche zu beleben, erlaubt die gestrenge Biergesetzgebung chemische Zusatzstoffe wie PPVP, die das Bier haltbar und klarer machen. Auf dass ein leuchtend-goldenes Bier, nachdem es ein halbes Jahr lang im Kiosk in der Sonne stand, noch genau so fad schmeckt wie am ersten Tag. Das naturbelassene Gebräu mit der Kirsche muss leider alkoholhaltiges Malzgetränk heißen, denn Bier darf sich nur nennen, was Hopfen, Malz und Wasser enthält – neben zahlreichen erlaubten künstlichen Zusatzstoffen. Prost! Trotzdem träumen industriell geprägte Großbrauer noch immer von ihrer Heiligsprechung, während im Nachbarland Belgien die Bierkultur jüngst von der UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben wurde – und das trotz Kirschen im Bier.
Aber alles halb so wild, wir haben ja jetzt Craft Beer. Die Bewegung kommt aus den USA, wo der Leidensdruck noch viel höher war. Dort haben ein paar Leute irgendwann angefangen, nach alten Rezepten zu Hause Bier zu brauchen. Und irgendwann wurde alles größer und die ersten professionellen Craft-Beer-Brauereien entstanden. Wer das jetzt alles für Hipsterquatsch für vollbarttragende tätowierte Männer in karierten Holzfällerhemden halten mag, der kann das gern tun. Oder aber einen Blick nach Franken werfen, wo man vielerorts den ganzen Industriequatsch einfach übersprungen hat, und noch immer in handwerklichen Verfahren und mit guten Zutaten hervorragendes Bier braut. Craft Beer at its best – nur eben ohne das ganze Marketingtamtam.
Mittlerweile ist Craft Beer auch in Deutschland angekommen. Und zwar so mainstreamig, dass auch der letzte TV-Bier-Trinker im Supermarkt mit voller Wucht darauf gestoßen wird. Die ihm vertrauten Fernsehbiermarken haben nämlich alle längst ein für den gewöhnlichen Pilstrinker exotisches Pale Ale im Regal. Oder was sie dafür halten.
Dass die Vielfalt weitaus größer ist, hat der gestrige Spring Beer Day im Hamburger Braugasthof Altes Mädchen einmal wieder wunderbar gezeigt. Denn viele zu unrecht in Vergessenheit geratene Bierstile wie die sommerliche Berliner Weiße (natürlich die echte, mit Brettanomyces) sind mit der Craft-Beer-Bewegung wieder zurück in die Fässer und Gläser gekommen. Insgesamt präsentierten 20 Brauereien aus Deutschland und Dänemark mehr als 90 verschiedene Biere.
Besonders erfreut natürlich, dass die vertretenen lokalen Mikrobrauereien mit exzellenten Erzeugnissen aufwarten konnten. Zu meinen Favoriten zählten die Kreativbrauerei Kehrwieder (Trinkempfehlung: SHIPA Hüll Melon und Jrön), Balduin (Imperial IPA und Galaxy Ale), Circle 8 (Wit), Wildwuchs (Bock O’Range) und Hopper Bräu (Tutti Frutti – Saison mit Gurke). Hamburg kann halt mehr als Astra und Holsten.
Wer den Spring Beer Day verpasst hat, muss sich nicht grämen. Das nächste bestimmt noch superere Bier-Ereignis in Hamburg steht bereits vor der Tür. Vom 16.-18. Juni findet wieder der Craft Market in der Rindermarkthalle statt. Hier gaben sich im vergangenen Jahr einige der besten Brauereien Europas – darunter unter anderem To Øl, Pöhjalla, Lervig, Oedipus und Beavertown – die Ehre. Wer gutes Bier mag, darf sich jetzt schon freuen. Auf die Vielfalt! Prost! 🍻
Mehr als eine halbe Stunde warte ich geduldig am Zaum vor dem Gehege im Bremer Bürgerpark auf das Neuweltkamel. Aber es interessiert sich nicht für mich. Warum sollte es auch? Viel lieber sitzt der freundliche Rasenmäher der Sonne zugewandt einfach nur da. Lediglich kurze Phasen der Nahrungsaufnahme vermögen die meditative Entspannung gelegentlich zu unterbrechen. „Guck mal, ein Lama!“, so nicht wenige der Eltern zu ihren Kindern. Da würde ich auch nicht kommen, wenn ich ein Alpaka wäre.
Herford, der Name ist gemeinhin allenfalls dem geneigten Pilstrinker ein Begriff. Dabei beheimatet die ostwestfälische Kleinstadt ein Museum für zeitgenössische Kunst, das sehr viel besser ist als das von hier stammende Gebräu. Marta Herford ist der Name und als ich ihn zum ersten Mal hörte, bildete ich mir für einen kurzen Moment ein, dass es sich hierbei um eine schon in die Jahre gekommene Braumeisterin aus der Radewiger Feldmark handeln könnte. Aber weit gefehlt. Das Akronym steht für m für Museum, art = Kunst und a für Ambiente bzw. Architektur. Okay.
Mit all diesem Vorgeplänkel sollte man sich allerdings nicht weiter aufhalten, wenn man überlegt, ob es sich lohnt, einen Ausflug hierhin zu unternehmen, denn allein das von Frank Gehry entworfene Gebäude ist einen Besuch wert. Innen gibt es Kunst, derzeit läuf die Ausstellung „Die Innere Haut – Kunst und Scham“ mit Werken u. a. von John Bock, Louise Bourgeois, Rineke Dijkstra, Albrecht Dürer, Bruce Gilden, Nan Goldin, Juergen Teller und Erwin Wurm. Die Gruppenausstellung versammelt über 100 Werke von mehr als 50 Künstlern rund um Scham und Schamlosigkeit.
Das Gefühl der Scham kennt ja jeder, der nicht Donald Trump ist. Der Autor spürt es besonders dann, wenn er über Dinge schreibt, von denen er gar keinen Schimmer hat. Zum Beispiel Kunst. Deswegen erspare ich dem Leser hier weitere Ausführungen. Fahren Sie einfach nach Herford und schauen Sie sich die Ausstellung am besten selbst an. Sie ist noch bis zum 4. Juni 2017 zu sehen.
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