Eisenwarengeschäft

Es gibt nichts Schlimmeres als Baumärkte. Klar, manchmal machen sie lustige Werbung. Aber ich will all das, was mit ihnen zusammenhängt, nicht zu meinem Projekt machen. Schließlich habe ich im richtigen Leben schon genug Projekte. Da muss ich nicht ratlos einen Einkaufswagen durch endlose Gänge schieben und vor Regalen ob der schier unendlichen Auswahl an Muffen, Sausen, Dübeln und Muttern verzweifeln.

Ich hingegen liebe Eisenwarengeschäfte. Allein schon, weil sie nicht Obi oder Hornbach heißen, sondern Ferd. Schüllenbach und Günter Hanisch. Ein letzter Hauch von Tante Emma weht hier noch durch die immer ganz leicht angestaubten Regale. Mir macht das nichts, denn hier ist der Kunde noch wirklich König (genau so, wie in dem vor wenigen Jahren untergegangenen Delikatessengeschäft Kruizenga, wo einem die Mitarbeiterinnen noch den Einkaufskorb hinterhertrugen.) Jedenfalls braucht man sich in den guten alten Eisenwarenhandlungen ob seiner Unwissenheit nicht zu schämen. Man beschreibt, so gut man eben kann, in meinem Fall gar nicht gut, sein jeweiliges Problem und erhält stets eine passende Lösung in Form eines Produktes, von dem man oft nicht einmal den Hauch einer Ahnung hatte, dass es überhaupt existiert.

Weiß man im Baumarkt die Nenngröße des benötigen Schraubenschlüssels oder die Wattzahl der gewünschten Leuchtstoffröhre nicht, so bedeutet das im Normalfall Hausverbot. Im Eisenwarengeschäft indes wird sich zuvorkommend an das jeweils korrekte Produkt herangetastet. „Billig gibt’s bei uns nicht. Diesen Schraubenschlüssel können Sie noch an Ihre Enkel vererben“, heißt es dann, immer das Wohl des Kunden und seiner nachfolgenden Generationen im Blick habend. 

Ich wundere mich zuweilen, wie diese kleinen Läden mit derart geringer Kundenfrequenz und hohem Beratungsbedarf überleben können. So oft es mir möglich ist, kaufe ich bei ihnen einen Dübel oder irgendwas, das ich nicht genauer zu bezeichnen vermag. Glühlampen, Schraubenschlüssel, Wasserpumpenzangen etc. Für das Überleben des Eisenwarengeschäfts meines Vertrauens mache ich gern irgendwas Sinnloses zu meinem Projekt. 

Klorolle

Klorolle

Die Älteren werden sich erinnern. Es gab eine Zeit, da war Klopapier in Deutschland sehr knapp. Noch bevor die Supermärkte morgens ihre Türen öffneten bildeten sich lange Schlangen, um an die begehrte Ware zu kommen. Vor den Regalen wurde es schon mal ruppig, wenn nur noch wenige Einheiten vorhanden waren. Die Supermärkte begrenzten gar die maximalen Abgabemengen pro Person. Vermutlich gab es für kurze Zeit sogar einen florierenden Schwarzmarkt. Das war im Frühling 2020, kurz nach Ausbruch der ersten Corona-Welle.

Vor einigen Wochen nun entdeckte ich an einer sehr frequentierten Hauptstraße auf dem Gehweg eine einzelne ausgesetzte Klorolle. Sie lag da. Einfach so. Vor ein paar Monaten wäre das noch undenkbar gewesen. Die Leute hätten sich darauf gestürzt, womöglich darum geprügelt, zumindest aber heftig gestritten. Nur um sicher zu stellen, sich nach dem großen Geschäft auch weiter gepflegt den Hintern abwischen zu können. Heute interessiert sich niemand mehr für die ausgesetzte Klorolle. Es gibt ja überall genug.

Mit dem Impfstoff war es anfangs genau so. Zunächst war er knapp. Mittlerweile verrichten die einst vor den Amüsierlokalen der Rotlichtviertel tätigen Koberer ihren Dienst vor den Impfzentren, um Unentschlossene zu ihrer Erstimpfung zu animieren. Das ist gut, sie verstehen ihren Beruf. Und vor den Amüsierlokalen herrscht ja derzeit eher noch Ruhe. Ich wünsche mir, dass sie überzeugend sind. Warum auch nicht, schließlich überwiegt der Nutzen einer Impfung die Risiken bei Weitem. Im Prinzip wie bei Klopapier. Und von Klopapierverweigerern hat schließlich noch niemand gehört. 

Ich hoffe, dass die Koberer nach Schließung der Impfzentren bald wieder vor ihren angestammten Lokalen wirken können. 

Antiquariat – reingehen oder nicht und wenn ja, was dann?

Das Antiquariat war seit jeher ein dankbarer Topos in diesem Blog. Nun aber haben seit heute Buchhandlungen, zu denen auch die Antiquariate zählen, in Hamburg seit heute wieder geöffnet. Auf einer meiner bevorzugten Spaziergehrouten, die ich seit dem Aufkommen der Coronakrise für mich entdeckt habe, befindet sich ein Antiquariat, das ich noch nie betreten.

Seit heute, da die Möglichkeit tatsächlich zum ersten Mal besteht, stellt sich mir weniger die Frage, ob Reingehen ja oder nein, sondern vielmehr, wenn Reingehen und nichts Brauchbares finden, trotzdem etwas für den Stapel der auf ewig ungelesenen Bücher kaufen, ja oder nein?

Wie auch immer, solange Letzteres nicht abschließend beantwortet, betrete ich das Antiquariat nicht. Ich bitte in dieser Frage dringend um Hilfe. Danke.

Stiefel

Dr. Martens

Reparieren oder wegschmeißen? Jetzt nicht die vergangenen zwölf Monate, sondern einfach nur ein paar Stiefel. There’s a crack in everything, that’s how the light get’s in, ja ja, schön und gut Leonard, aber doch nicht unbedingt im Oberleder. Also, eingepackt, das vom gröbsten Schmutz befreite Schuhwerk in einen Baumwollbeutel. Die für solche Zwecke so praktischen Plastiktüten sind schließlich bereits seit einiger Zeit vollständig aus der Welt verschwunden.

Ob man noch etwas retten könne, an meinen Docs, frage ich die Schuhmachermeisterin und sie nimmt die Stiefel in die Hand und betrachtet sie sorgfältig, und ja, es würde sich noch lohnen, denn insgesamt, sei der Zustand noch ganz gut und sie erklärt mir, warum der Riss vorn an der Kappe unvermeidbar ist. (Weil das Leder aus dem Schuh von einem zu kleinen Stück Leder komme und an den Rändern sei es nun einmal nicht so fest wie ein mittigeres Teil, das dort, wo sich beim Gehen die Falte bildet, eigentlich erforderlich usw. Die genauen Schuhfachbegriffe sind mir naturgemäß zwischenzeitlich entfallen.)

All das klingt plausibel und wir wollen ja weg von diesem Fast-Fashion-Ding und ob sie bei der Gelegenheit auch die schon etwas durchgelatschten Sohlen gegen etwas Rutschfestes austauschen könne. Kein Problem, macht 110 Euro und ich schlucke. Da mein Vertrauen in die Handwerkskünste der Schuhmacherin und Sattlerin, die mir genau Materialeinsatz und Arbeitsaufwand erläutert, das allergrößte ist, erteile ich achselzuckend den Auftrag. Den goldenen Boden des Handwerks düngt man schließlich gern.

Eine Reparatur, die höher ausfällt als die Hälfte des Anschaffungspreises, gilt wohl gemeinhin als ein Totalschaden. Aber es sind weniger der emotionale mit den Schuhen verbundene Wert noch der Aspekt der Nachhaltigkeit, die mich veranlassen, die Botten instandsetzen zu lassen. Es ist vielmehr die schmerzhafte Erinnerung an die ersten sechs äußerst qualvollen Wochen des Einlaufens, die bei dem Kauf eines Paares neuer Stiefels zwangsläufig erneut auf mich zukämen, die mich an meine alten Stiefel binden.

So nehme ich nach einer Woche das instandgesetzte Schuhwerk freudig entgegen, genau rechtzeitig vor dem Einbruch der Wintersaison. Ich hatte die Docs schon eine Weile nicht getragen – und zu meiner allergrößten Enttäuschung muss ich feststellen, dass sie etwas drücken und ich sie nun ein zweites Mal unter schmerzhafter Blasenbildung einlaufen muss. Das ist zwar unschön, aber immerhin nachhaltig. Die Blasen sind mittlerweile wieder verschwunden und die Stiefel immer noch da. Hoffentlich bleiben sie mir lange erhalten.