1705. Sommerfest der Grünen-Bürgerschaftsfraktion im Innenhof des Rathauses. Es gibt Butterkuchen, Currywurst und Astra aus der Flasche. Toll. Mit von der Partie auch Bürgermeister Olaf Scholz. Es heißt immer, dass man auf einem Bein nicht stehen könne. Scholz kann das. (Und zwar ziemlich lange.)
Nachchtrag:
1957. Kurz in Richtung Hafen geganen. Meine Begleitung wollte nicht auf meine Warnung hören, so schlimm seien die „Cruise Days“ doch sicher nicht usw. Am Hafen angekommen ein Gequetsche und Geschiebe, Hunderttausende wollten die Schiffe sehen, die ein- und ausfahren. Was für ein Ereignis für eine Hafenstadt, wo es doch das Normalste sein sollte, wenn ein Schiff kommt. Bei keiner Bushaltestelle oder Bahnhof wird so ein Gewese um ein ankommendes Verkehrsmittel gemacht und zu diesem Zwecke kleine Fähnchen geschwenkt.
1207. Demonstration für Pussy Riot vor der russisch-orthodoxen Kirche am Holstentor. Etwa 100 Menschen sind anwesend, einige davon mit bunten Masken. „Free Pussy Riot“ rufen und den geballte Faust zeigen, wie es die Sängerin der Punkband tat, auf den Fotos, die um die Welt gingen. Dann ein Gruppenfoto für’s Internet, als Beweis, dass die Demonstration stattgefunden hat. Ein Mann singt ein Lied auf Russisch (naturgemäß muss ich dabei ans letztjährige Abgrillen denken), dann die Urteilsverkündung: Schuldig.
1957. Sommerfest der Jungen Union Hamburg. Bernd, der irgendwas mit Politik macht, schleppt mich in die gediegene Villa mit Garten am Fleet. Die Anwesenden sind bereits in jungen Jahren vollständig verspießt, man trägt Einstecktücher. Zwanzigjährige verpickelte Pfeifenraucher fürchten unter SPD-Steinbrück die Wiedereinführung des Sozialismus, während die Damen hübsche Kleider tragen und glücklicherweise wenig sprechen. Soundtrack in meinem inneren Ohr: Rocko Schamoni – C.D.U. („Du wählst CDU. Und darum ist jetzt Schluss …“) In der Villa überall Fotos von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel, ich bleibe im Garten. Das Bier kostet einen Euro. Das ist nicht zu viel, um die Situation erträglicher zu machen. “
Habt Ihr schon unseren Vorsitzenden begrüßt?“ „Nein? Dann schnell hin zu unserem Junge-Union-Bundesvorsitzenden Philipp Mißfelder.“ Freue mich auch Jahre später noch über den Kurbjuweit-Artikel im Spiegel, der wohl eine der großen Politikervernichtungen der Nachkriegsgeschichte war. So etwas bleibt hängen. Mißfelder will sich nicht zusammen mit mir fotografieren lassen. Er hält mich wahlweise für einen Piraten (was ich nicht bin) oder für einen Mitarbeiter des Satire-Magazins Titanic (was ich leider nicht bin). Ein Foto in der Titanic hätte Mißfelders Beliebtheit in ungekannte Höhen katapultiert. Aber man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Flöte beim Verlassen der Party laut die Internationale.
0927. Wie jeden Morgen kommt das junge Mädchen aus dem ehemals sogenannten Ostblock ins Café und bestellt einen Latte zum Mitnehmen. Sie ist Model und sehr dünn. Während der Kaffee zubereitet wird, nimmt sie Platz. Vielleicht ist sie geschwächt. Möglicherweise sind dies die einzigen Kalorien, die sie heute sich nehmen wird. Draußen regnet es in Strömen, immerhin hat sie die Kraft, einen Regenschirm zu halten. Sie ist zäh. Trotzdem möchte ich sie füttern.
0957. Zum Frühstück 100 Seiten Sibylle Berg, „Vielen Dank für das Leben“, stimmt mich naturgemäß nicht fröhlicher, ist aber trotzdem gut. Frau Berg kann schreiben. (Vermisse Y. ein bißchen, mit ihr konnte man über Bücher sprechen, sie hat immer die richtigen gelesen. TB lag stets auf ihrem Nachttisch etc.)
2017. Podcast mit den Jungs. Sie fragen mich, was ich im Gesicht habe. Vollbärte scheint man in Hamburg nicht zu tragen, dafür hat man hier offenbar neuerdings Kinder.
0957. Ich lese gerne Todesanzeigen. Hans Erich Dotter ist von uns gegangen. Das ist traurig, hat er doch als junger Kaufmann mit Hilfe eines befreundeten Chemikers ein Präparat zur apparatelosen Herstellung von Dauerwellen entwickelt, wie wir heute in der FAZ erfahren. Das kann man jetzt belächeln, muss man aber nicht. Ist schließlich auch eine Leistung, so eine apparatelose Herstellung von Dauerwellen. Wenn ich ablebe, habe ich zwar nichts geleistet, bekomme aber wenigstens auch eine bescheuerte Würdigung in so einer Anzeige.
1957. Café unter den Linden, Tannenzäpfle Hefeweizen schmeckt wie Abwaschwasser; schade. Bleibe bei Schneider Weisse. Lese F Scott Fitzgeralds Kurzgeschichte „Thank You For The Light“. Furchtbarer kitsch. Der New Yorker hat die Geschichte 1936 abgelehnt und nun doch veröffentlicht. Manchmal sind die ersten Entscheidungen eben doch die richtigen.
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