Myll, 13. September 2012: Brief

11.27 Sie zeigt mir einen Brief von Rainald Goetz, dessen Inhalt gar keine Rolle spielt, wie ja überhaupt in der Schriftstellerei zumeist die Form eine größere Rolle spielt. Allein die Tatsache, dass Goetz Briefe schreibt, ist interessant. Auffällig, seine Handschrift: geschwungen, markant, aber trotzdem gut lesbar. Man erkennt sofort den geübten Briefeschreiber usw. Schriftsteller sind ja die einzigen, die nach wie vor immerzu Briefe schreiben müssen, damit irgendwann Bücher mit ihren Schriftwechseln erscheinen können. Ein später Dank und Gruß an die herausgebenden Witwen und Literaturwissenschaftlerinnen. Anstrengend, immer im Hinterkopf haben zu müssen, dass ja irgendwas bleiben müsse, anstatt schnell wegzulöschende elektronische Kurzmitteilungen zu verfassen. Stattdessen Briefe und Postkarten, verfasst mit dokumentenechter Tinte.

Handgeschriebene Briefe und der Euro werden verschwinden, genau wie auch die Liebe verschwunden ist. Und irgendwann, ganz zum Schluss, wird auch das Internet weg sein. Aber das ist dann so egal, wie eigentlich alles egal ist. Bald gibt es wieder Bodenfrost.

Doppeldeckerbus

And if a double-decker bus
Crashes into us
To die by your side,
Is such a heavenly way to die

(The Smiths)

Sinnlos mit dem Doppeldeckerbus durch die halbe Stadt fahren. Es regnet; durch die Kopfhörer fließen Bachs Goldberg-Variationen direkt in das Gehirn. In seinen Händen ihr Brief – von nah und doch weit weg. Darin das Bild eines Dinges, das ihre Wohnung zierte, und das er manchmal belächelt hat. Unzählige Fragen, aber keine Antworten. Stattdessen ein Thema mit Variationen. Gedankenverloren versäumt er, seinen Haltewunsch anzumelden …