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Editorial

Myll, 13. September 2012: Brief

11.27 Sie zeigt mir einen Brief von Rainald Goetz, dessen Inhalt gar keine Rolle spielt, wie ja überhaupt in der Schriftstellerei zumeist die Form eine größere Rolle spielt. Allein die Tatsache, dass Goetz Briefe schreibt, ist interessant. Auffällig, seine Handschrift: geschwungen, markant, aber trotzdem gut lesbar. Man erkennt sofort den geübten Briefeschreiber usw. Schriftsteller sind ja die einzigen, die nach wie vor immerzu Briefe schreiben müssen, damit irgendwann Bücher mit ihren Schriftwechseln erscheinen können. Ein später Dank und Gruß an die herausgebenden Witwen und Literaturwissenschaftlerinnen. Anstrengend, immer im Hinterkopf haben zu müssen, dass ja irgendwas bleiben müsse, anstatt schnell wegzulöschende elektronische Kurzmitteilungen zu verfassen. Stattdessen Briefe und Postkarten, verfasst mit dokumentenechter Tinte.

Handgeschriebene Briefe und der Euro werden verschwinden, genau wie auch die Liebe verschwunden ist. Und irgendwann, ganz zum Schluss, wird auch das Internet weg sein. Aber das ist dann so egal, wie eigentlich alles egal ist. Bald gibt es wieder Bodenfrost.

Eine Antwort auf „Myll, 13. September 2012: Brief“

Ich habe ihn auch: Diesen Gedanken, das was dableiben und deshalb dokumentiert sein muss. Aber gerade deshalb finde es – anders als Sie – ganz und gar beruhigend, überwiegend elektronisch zu kommunizieren. In der Outlook-Datei ist meine Kommunikation der letzten zehn Jahre und zwar das, was rein und das, was raus geht. Viel einfacher, als bei Briefen: es müssten doch alle erst wieder zusammengetragen werden. Und dasselbe gilt für Sms, die die Nokia PC Suite seit Jahren für mich archiviert. Alles da, alles lesbar und jedes Jahr zu Weihnachten scrolle ich und freue mich, denn:
So ein Jahr, das wird dann klar, ist viel länger und ausgefüllter, als man an seinem Ende denkt.

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