Warenwelten #7: Blumenladen

Wie ein jeder lebe auch ich in einer Gegend. In dieser Gegend gibt es zahlreiche kleine Geschäfte. In der letzten Zeit aber schließen immer mehr von ihnen. Auch wenn ich in vielen Geschäften in meiner Gegend noch nie etwas erworben habe, weil sie Wandfarben, recyclete Druckerpatronen, Strickjacken für alte Männer, Duftkerzen oder andere Dinge, die ich nicht brauche, verkaufen, betrübt es mich immer sehr, wenn einer dieser Läden auf einem großen Schild seine Betriebsaufgabe aus wirtschaftlichen Gründen bekanntgibt, und mir für meine jahrelange Kundentreue dankt, die ich ihm nie erwiesen habe.

Direkt um die Ecke befand sich bis vor kurzem ein kleiner Blumenladen. Dieser Blumenladen verkaufte mittelmäßig schöne Blumen zu einem mittelmäßig günstigen Preis. Direkt gegenüber befindet sich ein Discounter. Auch hier gibt es Floristik von eher durchschnittlicher Beschaffenheit – allerings zu einem sehr günstigen Preis. Es kam, wie es kommen musste: Vor wenigen Wochen hat die Betreiberin das Geschäft eingestellt (genau wie es die Inhaberin des weiteren Blumenladens fünfzig Meter weiter vor einiger Zeit bereits getan hat).

In der letzten Woche wurden die Räumlichkeiten gegenüber dem Discounter wieder bezogen. Ich habe Respekt vor jemandem, der in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein Geschäft eröffnet. Es handelt sich allerdings wieder um einen Blumenladen, der mittelmäßige Ware zu mittelmäßigen Preisen verkauft. Das Geschäft scheint nicht besonders gut zu laufen: der Laden ist nur sehr spärlich mit frischer Ware bestückt und die Verkäuferin blickt jedem vorübergehenden Passanten traurig hinterher. Mittlerweile versuche ich, rechtzeitig die Straßenseite zu wechseln, um nicht an diesem Blumenladen vorbeizukommen. Beim Anblick des nahezu leeren Geschäfts und der traurigen Verkäuferin bekomme ich Depressionen.

Einerseits habe ich Mitleid mit dem Inhaber dieses Geschäfts: er hat Zeit und Geld investiert, um die Räumlichkeiten herzurichten, zahlt eine sicher nicht allzu niedrige Miete, steht womöglich morgens früh auf, um Blumen im Großmarkt einzukaufen, pflegt diese angemessen und sieht dabei zu, wie diese dann irgendwann im Laden verwelken. Das ist bedauerlich. Andererseits lässt es mich am gesunden Menschenverstand zweifeln, wenn ich sehe, dass jemand genau denselben Fehler ein zweites Mal machen muss.

Morgen ist Muttertag, ein Festtag für alle Blumenladenbetreiber. Am 9. Mai 2010 ist wieder Muttertag – dann wird sich aber wohl ein anderes Geschäft in den Räumen bei mir um die Ecke befinden. Ich bin gespannt, ob es wieder ein Laden für Blumen, Wandfarben, Druckerpatronen, Strickjacken oder Duftkerzen wird. Vielleicht findet sich aber zur Abwechslung ein Unternehmer mit einer Idee, die diese Gegend wirklich braucht.

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Weitere Beiträge aus der Rubrik „Warenwelten“.

Warteschlangengeschichten Teil 11: 3 in 1

Apotheke am Rothenbaum
Apotheke am Rothenbaum

1. Im Discounter

Vor mir an der Kasse steht eine junge Frau, die zwei Schachteln Zigaretten der Hausmarke erwerben möchte. Ihr jugendliches Antlitz veranlasst die Kassiererin nach dem Personalausweis der Kundin zu Fragen, um deren Volljährigkeit zu verifizieren. Freudestrahlend zückt die Kundin ihr Ausweispapier, nicht ohne wort- und gestenreich zu bekunden, dass sie dies gewohnt sei, schließlich sehe sie für ihr Alter ja noch sehr jugendlich aus und das sei ja besser als umgekehrt, auch wenn es als Zwölfjährige ein Vorteil sei, in Kinofilme für Sechzehnjährige zu kommen, aber mit zunehmendem Alter sei es ja irgendwie doch besser, jünger auszusehen als man tatsächlich ist und so weiter. Auch nach Beendigung des Kassiervorganges konnte sich die Zigarettenraucherin vor lauter Begeisterung ob ihres geschmeidigen Äußeren nicht vom Kassenbereich lösen. Um die Angelegenheit etwas zu beschleunigen, verwies ich darauf, dass sie nur ihren Zigarettenkonsum intensivieren müsse, dann werde sich das „Ausweisproblem“ sicher bald von selbst erledigen. Zügig packte sie ihre Schachteln mit der warnenden Aufschrift „Rauchen lässt ihre Haut altern.“ ein und zog wortlos von dannen.

2. Im Bagelladen

Ich: „Guten Tag, ich hätte gern ein halbes Dutzend Bagels.“
Verkäuferin: „Nehmen Sie doch sechs Stück, dann bekommen Sie einen gratis.“

3. Vor der Apotheke

In Hamburg gibt es 447 Apotheken, statistisch gesehen also an jeder zweiten bis dritten Ecke. Heute führte mich mein Weg gleich zwei Mal an einer Pharmazie in der Rothenbaumchaussee vorbei. Warum sich gerade hier eine an die östliche Seite des vormals geteilten Deutschlands erinnernde Warteschlange bis weit vor das Ladengeschäft bildet, hat sich mir nicht erschlossen.

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Hier gibt es weitere Warteschlangengeschichten.

Warenwelten #6: Mein Freund, der Hund


Kapuzenmann vor Bekleidungsgeschäft, Hamburg-Sternschanze

Dauerwellen, Leggings, Schulterpolster und Lederkrawatten – alle sind zu recht in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ausgestorben. Dergleichen hätte ich mir auch für übersättigte Farbtöne in pink, violett und türkis gewünscht.

Seitdem eine gewisse amerikanische Bekleidungskette auch hierzulande Fuß gefasst hat, sind auch die Kolorationen meiner Achtziger-Jahre-Alpträume zurück in das Leben gekehrt. Stets, wenn ich an einem dieser Geschäfte vorbeiziehe, wird mir bewusst, dass die von dem Unternehmen gelebten Tugenden Umweltbewusstsein und Sozialverträglichkeit zwar ganz schön, aber eben auch nicht alles sind. Vielmehr irritiert mich regelmäßig, dass die EU-Bürokratie dieses Unternehmen noch nicht zur Anbringung von Schildern, die vor Augenkrebs warnen, verpflichtet hat.

Erst heute dachte ich wieder daran, wie schön es wäre, ein Hund zu sein, war ich doch bis eben dem Trugschluss aufgesessen, dass dieser Säugetierart ausschließlich schwarzweiß zu sehen vermag. Als Hund könnte man einen Besuch bei American Apparel schadlos überstehen. Ein Trugschluss, wie mich soeben ein Blick in eine bekannte Onlineenzyklopädie lehrte: Das Raubtier aus der Überfamilie der Hundeartigen vermag – eine ausreichende Beleuchtung vorausgesetzt – nämlich sehr wohl Farben zu sehen. Das ist zwar in den meisten Fällen gut für das Tier, nicht jedoch, falls Herrchen oder Frauchen eine Vorliebe für vorerwähnte Bekleidungskette pflegen. Lediglich über eine Rot-Grün-Sehschwäche verfügt der Vierbeiner, was ihn vermutlich nicht vollständig vor American Apparel zu schützen vermag.

Ich bin zwar kein ausgesprochener Hundefreund; vielmehr finde ich, dass Hunde in der Stadt nichts verloren haben. Aber sobald ich jemanden entdecke, der seinen Canis lupus familiaris vor einer AA-Filiale anleint, werde ich den Tierschutzverein benachrichtigen – getreu dem Motto: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. So kann es eines Tages doch noch kommen, was ich nicht für möglich gehalten hätte: Der Hund wird zum besten Freund des Menschen, in diesem Falle zu meinem. Solange Dauerwellen, Leggings, Schulterpolster und Lederkrawatten nicht zurückkehren, soll mir dies recht sein.

Warteschlangengeschichten Teil 10: Post und Saturn

Wir schreiben das Jahr 2009, eigentlich ist zum Thema Warteschlangen alles gesagt. Nicht trotz, sondern wegen der Privatisierung geht in Deutschen Postfilialen nach wie vor alles gemächlich seinen Gang. Seelenruhig wird gearbeitet, hin und wieder sogar noch gestempelt. Fast könnte man meinen, alle wollen ihre Weihnachtsgeschenke wieder an den Absender zurückschicken, so groß ist der postfeiertägliche Andrang.

Ich beginne das Geschäftsjahr mit der Erkenntnis, dass es weitaus angenehmer ist, ein Einschreiben zu versenden, als eines zu erhalten. Letzteres nicht nur mit Blick darauf, dass man beim Aufgeben dieser Art von Briefsendung frisch gebadet, vollständig bekleidet und halbwegs ausgeschlafen vor dem Schalterbeamten steht, während mich der für meinen Zustellbezirk zuständige Postbote mittlerweile besser als jeder andere Mensch ungeduscht und im Bademantel kennt. Es ist – unabhängig von Kleidung und Körperpflegestatus – trotz der end- und würdelos erscheinenden Warterei in Postfilialen ganz einfach erhabener, ein Einschreiben zu verschicken, als den Empfang eines solchen zu quittieren.

Mein nächster Gang führt mich in die Innenstadtfiliale eines großen Elektromarktes. Es ist ein beruhigendes Gefühl, zu sehen, dass in Zeiten der Krise, gar des drohenden vollständigen weltwirtschaftlichen Zusammenbruchs eingekauft wird, als gäbe es kein Morgen. Sogar zusätzliche Arbeitskräfte wurden eingestellt: um die Kundenmassen zu bewältigen packen junge, hochmotivierte Mitarbeiter die soeben gekauften Waren behende in Plastiktüten und verabschieden die Käufer freundlich. Für diese Tätigkeit hat die Geschäftsleitung eine neue Abteilung gegründet: „Service“ steht auf den Uniformen der neuen Leistungsträger, das ist neu, nicht nur die Aufschrift. Die alten Mitarbeiter hatten lediglich Schilder, auf denen „Nicht meine Abteilung“ geschrieben stand.

Bei so viel Kreativität bei der Schaffung neuer Arbeitsverhältnisse ist mir nicht bange um unser Land. Und wenn mein Einschreiben erst seinen Zweck erfüllt hat, kann ich auch wieder den Service in Anspruch nehmen, um die neu geschaffenen Positionen nachhaltig zu sichern.

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Hier gibt es weitere Warteschlangengeschichten.