Phänomenologie des Bananentresors

Viele Jahre später sollte Bruno feststellen, daß die Welt
der Kleinbürger, die Welt der Angestellten und mittleren
Beamten toleranter, liebenswürdiger und aufgeschlossener ist
als die Welt der Aussteiger, der am Rande der Gesellschaft lebenden
jungen Leute, die damals durch die Hippies verkörpert wurden.

(Michel Houellebecq, Elementarteilchen)

Dinge, die ich grundsätzlich ablehne: Reisen, Einkaufen und – mit Einschränkungen – Obst. Wo all dies zusammenkommt, ist ein Fachgeschäft für Außerhausüberlebensausrüstungen in Hamburg-Barmbek. In diesem kann ein jeder in Kältekammern die passende Bekleidung für seine Expedition in die Ostantarktis genauso testen wie die Wasserfestigkeit von Regenjacken für eine Städtereise nach London unter einem künstlichen Wasserfall.

Der bei weitem nützlichste Gegenstand, den ich in diesem Laden entdecken konnte, ist der Bananentresor. Einst hielt man die Bananenschale hinsichtlich ihrer Schutzfunktion für die weiche Frucht für eine geniale Einrichtung der Natur – ein Trugschluss. Denn welcher Reisende kennt das Problem nicht? Da reist man, bepackt mit seinem schweren Rucksack, durch den nahen Osten und würde gern eine Banane essen. Sobald der Appetit auf die fruchtige Köstlichkeit aufkommt, stellt man fest, dass diese regelmäßig von den sich im Gepäck befindlichen Reiseführern „mit den bewährten reisepraktischen Infos und in der gewohnt lockeren Art“ zu Mus gemacht wird. (Heute erledigen das bücherersetzende elektronische Endgeräte.)

Das muss nicht so sein, denn heute gibt es Bananentresore. Ein praktischer gekrümmter Transportbehälter aus Kunststoff im fruchtigen gelb sorgt fortan für einen sicheren Transport der Musa. Das ist eine gute Sache, freut sich der Bananenfreund, und glaubt, dass damit all seine Probleme gelöst seien. Doch das ist weit gefehlt. Zwar hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die EU-Bananenverordnung den Krümmungsgrad von zu importierenden Bananen vorgebe, jedoch ist dies zum Leidwesen aller Banenentresorbesitzer nicht der Fall. Vielmehr ist lediglich eine Länge von mindestens 14 cm und eine Dicke von 27 mm vorgeschrieben.

Wie viele Mitfahrgelegenheiten, Züge und Flüge verpasst wurden, weil sich die Suche nach der in den Tresor passenden Banane weitaus schwieriger gestaltete als gedacht, ist bislang nicht bekannt. Der Verband bananentresorbesitzender Fruchtfreunde e.V. hat jedoch bereits eine Petition zur verbindlichen Reglementierung des Krümmungsgrades an die EU gerichtet.

Es gärt

Intelligent Bacteria – Sacchromyces cerevisiae, HONF (House of Natrual Fibre)

“Man muss die Welt nicht verstehen,
man muss sich nur darin zurechtfinden.”

(Albert Einstein)

Club Transmediale, Hebbel am Ufer: Ich befinde mich unerwartet in einer Veranstaltung, die in französischer Sprache abgehalten wird. Zwar verstehe ich nur einen Bruchteil, fühle mich aber gerade zu cool, um mir einen Kopfhörer zum Empfang der Simultanübersetzug zu holen. Und so sitze ich etwa eine Viertelstunde in der letzten Reihe des kleinen Theaters und lausche dem Klang der Stimmen. Plötzlich denke ich an eine Freundin aus längst vergangenen Tagen, deren Vater einst ein Ferienhaus in einer Nudistenkolonie in Südfrankreich besaß. Ich war nie dort, habe es mir aber immer ein bißchen wie in Houllebecqs Elementarteilchen vorgestellt – nur mit weniger Sex. Schnitt.

Später im Haus der Kulturen der Welt wird ein Film bejubelt: Ein gewöhnliches Mashup aus Filmschnipseln und -musiken, wie es auf YouTube tausendfach finden ist, aber zu Recht keine besondere Beachtung erfährt. Schnitt.

Ich wende mich den intelligenten Bakterien zu: einer akustisch-performativen Installation, die Kunst und Biotechnologie vereint. Dieses Projekt versteht sich als Reaktion auf die Häufung von Vergiftungen und Todesfällen in Indonesien, wo Alkohol gesetzlich verboten ist. Aufgrund dessen produziert die Bevölkerung unwissentlich giftiges Methanol. Unter Einsatz von DIY- und Open-Source-Technologien zeigt Intelligent Bacteria, wie man sicher und kostengünstig tropische Früchte zu Alkohol fermentieren kann.

Das Ploppen des Gärungsprozesses wird über Mikrofone abgenommen und in den Raum übertragen. Die Installation strahlt zwar eher den Charme eines Labors aus, aber immerhin kann hier niemand behaupten, dass Kunst sinnlos sei.