Per sempre?

 Marmor, Stein und Eisen bricht,
aber unsere Liebe nicht.
Alles, alles geht vorbei,
doch wir sind uns treu.

(Drafi Deutscher)

Immer wenn ich von Friedrichshain nach Kreuzberg gehe, muss ich an Drafi Deutscher denken. Auch an der Oberbaumbrücke wird seit einiger Zeit der vermutlich aus Italien stammende Brauch der Anbringung von sogenannten Liebesschlössern gepflegt:

Frisch verliebte Paare gravieren ihre Namen oder Intialen in ein Vorhängeschloss und bringen dieses als Zeichen ihrer ewigen Liebe an einer Brücke an. Danach wird der Schlüssel üblicherweise in den darunter fließenden reißenden Fluss geworfen. An der Milvischen Brücke in Rom spricht man dazu gern die Worte „per sempre“ („für immer“) aus.

Das ist ein schönes Ritual, so romantisch. Doch was wäre eine Tradition ohne behutsame Fortentwicklung? Heute sind die viele Paare dazu übergangen, einen Ersatzschlüssel aufzubewahren. – Die Brechstange als Lösung hat sich in den meisten Fällen nicht bewährt.

Natürlich muss es korrekt „Marmor, Stein und Eisen brechen“ heißen, denke ich. Aber das reimt sich bekanntlich nicht so schön.

Analog ist besser


In einer Gesellschaft,
in der man bunte Uhren trägt,
in einer Gesellschaft wie dieser
bin ich nur im Weg.

Aber Digital ist besser,
Digital ist besser,
Digital ist besser,
für mich.

(Tocotronic)

Vor zwanzig Jahren unter einem Hochbett gesessen: Wir hörten die Beatles, das weiße Album – von Schallplatte. Ich besaß damals bereits einen CD-Player und hielt ihn für überlegen: digitale Technik, perfekte Reproduzierbarkeit, keine Abnutzungserscheinungen.

Ein Irrglaube, denn während sich die ersten Silberlinge vielleicht bald ganz von allein in Luft auflösen, wird Vinyl von Bestand sein.

Manchmal sehne ich mich danach, einen Tonarm behutsam aufzusetzen, eine Platte umzudrehen, nach dem Knistern, der Wärme des Tons und in einer großformatigen Plattenhülle zu blättern. Alles Nostalgie oder Psychoakustik? Mag sein. Aber möglicherweise gibt es Zwischentöne, die sich in Nullen und Einsen nicht ausdrücken lassen.

Persistenz und Subtext

Ein See, irgendwo in Berlin

„Heiterkeit ist eine moralische Frage. Mürrische Leute,
die andere mit ihren Problemen behelligen,
die halte ich für rücksichtslos“
(Hans Magnus Enzensberger)

vs.

„Am Ufer der Wehmut blühen die Sterne“
(Friederike Mayröcker)

Ein paar Seiten zurückgeblättert: Persistenz und Subtext. So kann es jedenfalls nicht weitergehen.

Moppel-Ich-Du-Er-Sie-Es-Wir-Ihr-Sie

„Es heißt, daß Zeit die Wunden heilt.
Wär‘ nett. wenn sie sich mal beeilt“

(Blumfeld, „Krankheit als Weg“)

Moppel sitzt allein in seinem Käfig. Er ist ein alter Hase: Unter dem pilzbedingt an einigen Stellen ausfallenden Pelz hat er ein unkontrolliert wachsendes Geschwür. Für eine Operation ist er jedoch bereits zu alt – es lohnt sich nicht mehr (sagt der Tierarzt). Darüber hinaus treten bei ihm erste Anzeichen einer Demenz zum Vorschein und möglicherweise leidet er unter seiner Einsamkeit.

All das sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an, denn im Alltag funktioniert er, wie man es von ihm erwartet. Er lebt ein scheinbar ganz normales Hasenleben: Fressen – Schlafen – Fressen. Zum Glück hat er gute Freunde, die sich um ihn kümmern. Und so lange er sich keine großen Gedanken über den Sinn seines Daseins macht, ist es für ihn wohl auch halbwegs erträglich.