Müdigkeit

Wie der Schlaflose daliegt bis hinein ins Fahllicht des
Morgengrauens, das ihm die Verdammnis bedeutet, über ihn
allein da in seiner Schlaflosigkeitshölle hinaus des ganzen
fehlgeratenen, auf den falschen Planeten verschlagenen
Menschenwesen … Auch ich war in der Welt der Schlaflosen
(und bin es, immer wieder, noch jetzt.)

(Peter Handke, Versuch über die Müdigkeit)

Nach einer fast schlaflosen Nacht von Singvögeln geweckt werden und sich fragen, wie es wäre, diese von den Bäumen zu holen. Wer sagt einem denn, dass vier Stunden der Nachtruhe nicht vollkommen ausreichen? Dann ein Glas Milch trinken und auf die von der Agrarwirtschaft versprochene muntermachende Wirkung hoffen, die der weiße Saft der Kuh jedoch niemals zu spenden vermag. Trotz allem relativ beschwingt in den Tag starten, aber schon bald von der Müdigkeit unerbittlich eingeholt werden.

ESL

Manches, was Leben das besser macht, verschwindet schleichend. Viel zu oft lässt man es einfach geschehen – aus mangelnder Aufmerksamkeit oder Unvermögen, die eigenen Wünsche zu formulieren. Irgendwann reibt man sich die Augen, und es ist nicht mehr da.

Dann steht man vor dem Supermarktregal und so weit das Auge reicht gibt es nur noch Hocherhitztes, das uns als „extra lange frisch“ verkauft wird. Es schmeckt zwar nicht so gut, hält dafür aber ein paar Tage länger im Regal: extended shelf life (ESL).

Es bedarf einer größeren Anstrengung, um das Frühere noch einmal schmecken zu können. Aber es ist lediglich eine kurze Erinnerung an das Glück vergangener Tage. Nach nur drei Nächten im Kühlschrank ist alles wieder schlecht geworden: frische Vollmilch.

Schnürsenkel und Milchschaum

You gotta slow down your life or you’re gonna be dead,
Cut out the struggle and strife,
It only complicates your life.

(The Kinks)

Man sagt, ich sei der zweitschlechteste Schuhzubinder der Welt. Ständig löst sich unterwegs ungewollt der Schnürsenkel. Daheim angekommen, verknotet er sich beim Ausziehen der Schuhe allerdings nahezu unauflöslich.

Man sagt, ich sei der beste Milchaufschäumer der Welt. In der relativ vertrauten Umgebung gibt es lediglich drei Möglichkeiten das hierfür erforderliche Gerät aufzubewahren: Spülbecken (häufig), Geschirrspüler (gelegentlich) oder Regal (selten). Trotzdem gelingt es mir nur selten, den Milchaufschäumer ohne fremde Hilfe auf Anhieb zu finden.

Dieses Leben ist kompliziert.