Vom Eise befreit sind Strom und Bäche, durch des Frühlings holden, belebenden Blick. Goethe irrt, weiße Ostern, wann hat man das jemals erlebt? „Last Easter, I gave you my heart“, singt Rudolf das rotnasige Rentier, vergrippt näselnd und säckeweise gülden verpackte Schokoladenhasen im Gepäck, plötzlich mitten im kalendarischen Frühling, und Großmutter erzählt am Mittagstisch, dass sie so etwas nicht einmal in Ostpreußen erlebt habe usw.
„Als die Winter noch lang und schneereich waren“, beginnt Rainald Goetz‘ Johann Holtrop, also jetzt, denn länger und schneereicher war selten ein Winter, und während wir uns darüber beklagen und die Lenzzeit herbeisehnen, werden wir in fünfzig Jahren unseren Enkeln im Angesicht der fortgeschrittenen Klimakatastrophe beim Hasenbraten schwitzend und mit leuchtenden Augen vom harten Winter 2013 erzählen, der uns am Jahrestag der Auferstehung Christi Niederschlag aus feinen Eiskristallen bescherte. Und wie immer wird dann der Blick zurück verklärt sein und die Dinge besser erscheinen lassen als sie damals tatsächlich waren.
Zum Glück haben wir heute Nacht die Uhren auf Sommerzeit umgestellt, denke ich, während ich Kaminholz nachlege. (Wohliges Knistern und von draußen ganz leise das Geräusch von Goethes Schneeschippe.)
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Beim Veröffentlichen dieses Textes habe ich bemerkt, dass ich 2008 schon einmal einen Beitrag mit der Überschrift „Weiße Ostern“ verfasst habe. Ich glaube aber, damals hat es nicht wirklich geschneit.