Der sich dachte

Kommt alle her! Ich erzähl’ Euch von dem, der sich dachte.
Sing Euch sein Lied, die Geschichte und was sie ihm brachte.
Über die Zeit und sein Leben und was er draus machte.
Kommt alle her! So hat der, der sich dachte, gelebt.

(Blumfeld)

Alles ganz schön old school hier, schreibt Ole Reißmann auf Spiegel Online: Ein Bild, ein Zitat und ein paar flüchtige Zeilen. Aber das ist auch ganz in Ordnung so, nicht weil es die Leser lieben, sondern weil ich es nicht besser kann.

Jetzt nur noch ein Kurzes Klagelied anstimmen auf unzureichend klimatisierte Büroräume und schwitzende Menschen im öffentlichen Personennahverkehr, dann wäre dieser Montag schon fast geschafft.

Mein Weg ist mal leicht, mal schwer …

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BlumfeldDer sich dachte

Zähneputzen

Die Situation ist immer die gleiche, verstandesmäßige:
aufwachen, waschen, anziehen, arbeiten, sich mit der
Arbeit einlassen, nicht verzweifeln, den Versuch machen,
nicht zu verzweifeln, wir akzeptieren! Wir dürfen nicht
nachlassen in unserer Intensität!

(Thomas Bernhard, Korrektur)

Im Widerspruch zum Vorsatz, ein kurzes und intensives Leben zu führen, steht der absurde Brauch, sich zweimal täglich die Zähne zu putzen. Der unvermeidliche Umgang mit Menschen gebietet schließlich ein angemessenes Maß an Zahnhygiene.

Doch ist dies vielmehr eine vorgeschobene Rechtfertigung unseres Handelns: Tatsächlich fürchten wir uns vor einem uns selbst unnötig zugefügten Schmerz und dem dann kommenden bohrenden Dentisten. Wir gehen davon aus, dass unser ursprünglich gefasster Vorsatz, ein kurzes und intensives Leben zu führen, nicht einzuhalten ist, weil naturgemäß alles immerzu weitermacht, und lassen die Bürste regelmäßig kreisen.

Gottfried Benn: Nur zwei Dinge

Nur zwei Dinge

Durch so viel Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?

Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
– ob Sinn, ob Sucht, ob Sage –
dein fernbestimmtes: Du mußt.

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.

(Gottfried Benn)

Leergutflirt

Durch einen unbekannten Supermarkt irrend nach der Leergutannahme zu suchen, bietet fruchtbaren Nährboden für eine Flirtsituation. Unsere Blicke treffen einander und verraten gemeinsame Ratlosigkeit, da weit und breit kein defekter oder lediglich rudimentär funktionierender Automat zur Entgegennahme unserer Pfandflaschen zu erkennen ist. Das verbindet ungemein.

Nach einer gefühlten halben Ewigkeit des Umherirrens zwischen den Flaschenregalen entdecke ich die Leergutannahme und weise der Dame fast heldenhaft die Richtung. Beiderseits hocherfreut halten wir auf dem Weg ein kurzes Pläuschchen: „Ist aber auch wirklich zu schwierig zu finden hier.“ – „Ja, alles total unübersichtlich.“ etc.

Nicht ohne einander noch einmal zuzulächeln werden wir schließlich Flasche für Flasche unser Pfandgut los. Die Annäherung wird jedoch jäh beendet, als ich aus meinem Baumwollbeutel – für uns beide gleichermaßen unerwartet –  eine halbvolle Flasche billigen Fusels ziehe, den mir jemand untergeschoben haben muss. Noch irritierter als ich schaue, blickt mich die Dame an. „Ich kenne diese Flasche überhaupt nicht“, sage ich zum hastigen Abschied. Schließlich bin ich zu dieser Spirituose gekommen wie der trockene Alkoholiker zur Fahne. Da mir die Situation dennoch unangenehm erscheint, achte ich später darauf, nicht gemeinsam mit der Dame an derselben Kasse anzustehen.

Das ist alles ist nicht weiter schlimm, denn schließlich funktionieren Supermarktflirts ohnehin nur in schlechten Fernsehwerbungen – und ich kann mir nun mit der halben Flasche einen vergnüglichen Abend bereiten. Falls mir noch jemand einfällt, der eine Vorliebe für billigen Schnaps hat, werde ich ihn dazu einladen.

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