Ausstellung: David Bowie im Martin-Gropius Bau

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Die Räumlichkeiten ein dunkler Schlauch, Besucher dicht gedrängt wie auf einem Konzert, aber Kopfhörer tragend. Die aus London importierte Ausstellung versucht, sich dem Phänomen David Bowie zu nähern. Kann das gelingen? Nein. – Zu viel Text. Kein roter Faden. Verwirrung. Wer ein paar Jahre zu jung ist, um den Pop 70er und 80er Jahre bewusst erlebt zu haben, bleibt im Vagen. Macher erschlagen Besucher mit der Vielfalt von Musik, Text, Interview, Theater, Film, Mode und Installtion. Chaos.

Daran kann man verzweifeln, muss man aber nicht. Der Audioguide leitet einen durch die Ausstellung. An den richtigen Stellen werden automatisch Musik oder Tondokumente eingespielt. Das funktioniert wunderbar. Wer sich darauf einlässt, an diese Ausstellung nicht den Anspruch eines Hauptseminars zu stellen, kann durch die mehr als dreihundert gezeigten Exponate flanieren und die Geschichte des Pop erhören, erleben und erfühlen. Die Kuratoren haben eine begehbare Collage erschaffen, die vollkommen zu durchdringen in der Kürze der Zeit unmöglich ist. Und trotzdem kann man sich daran erfreuen, vom Meister und seinen Zeitgenossen zu hören, wie sie im Tonstudio gearbeitet haben; wie Bowies grimassenschneidendes Gesicht auf zwei interagierende halslose Männcheninstalltionen projiziert wird, oder wie plötzlich Ziggy Stardust ertönt, wenn man ums Eck kommt. Aufgrund der thematischen Vielfalt, kann sich jeder aussuchen, was ihm gefällt. Glitzer und Musik.

Die Ausstellung versucht, sich dem Phänomen David Bowie zu nähern. Kann das gelingen? Ja. Aber nicht mit den Augen, sondern eher kleinerprinzmäßig. Auch wenn man die Ausstellung vielleicht nicht viel schlauer verlässt als man hinein gegangen ist, so bekommt man doch ein Gespür dafür, wie groß der Einfluss David Bowies auf die Popkultur war: nämlich sehr groß.

Der Eintrittspreis ab 14 Euro ist zwar nicht gerade knapp bemessen, aber dafür dauert die Unterhaltung auch länger als Kinofilm. Die Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau läuft noch bis zum 10. August 2014.

Rainald Goetz zum 60.

Nun ist der auch schon 60. Ganz schön alt für eine, genauer gesagt, die Nachwuchshoffnung des Literaturbetriebes. Wir indes warten immer noch auf seinen ganz großen Wurf und schauen uns derweil das den kompletten Nimbus begründende Rasierklingenvideo in Endlosschleife an.

„Ah, Rainald Goetz lesen Sie. Sehr interessant. Ja, hat denn der mal wieder etwas Neues geschrieben?“, riefen mir unzählige, ebenfalls bereits schon in die Jahre gekommene Damen und Herren, entgegen, als ich unlängst in Cafés der Lektüre eines gut abgehangenen Schinkens frönte. Irre, das.

Viele Raves später, während andere den Zustand der Gegenwartsliteratur beklagten, verbrachte der Schrifsteller seine Zeit damit, Tag für Tag auf den Zuschauerbänken verschiedener Gerichtssäle zu sitzen, um aus geringer Distanz die Niedertracht des Kampfes um die Macht in seinem Hausverlag auf das Genaueste zu dokumentieren. Stoff genug für einen den Johann Holtrop in den Schatten stellenden Abriss von überhaupt allem. Don’t cry – work. Und wenn schon keiner mehr damit rechnet, wird irgendwann, fernab von Büchermessen das udolindenbergmäßige Auferstandenausruinenbuch kommen und alle, die jetzt an seinen literarischen Fähigkeiten zweifeln, werden es naturgemäß schon immer gewusst haben wollen. Hoffnung.

Rasierklingen zu Bleistiften. Herzlichen Glückwunsch zum 60., Rainald Goetz.

Blumfeld wieder da: Ein Lied mehr

Graue Wolken
Graue Wolken

Zwanzig Jahre nach L’etat et moi touren Blumfeld wieder in Originalbesetzung. Irgendeinen Grund findet man immer für eine Wiedervereinigung, und sei es nur die Knappheit der Musikantenkassen. Kein neues Album der längst aufgelösten Band, kein Lyrikband von Jochen Distelmeyer, keine Lehrstuhlberufung von PD Eike Bohlken und keinen Schlagzeugunterricht von Andre Rattay. Einfach mal den in Nostalgie schwelgenden Konzertbesucher abmelken.

Eigentlich sollten Blumfeld nach ihrem Abschiedskonzert am 27. Mai 2007 Geschichte gewesen sein und nun stehen sie bald wieder da, verdruckst am Bühnenrand wie auf einem Klassentreffen der Hamburger Schule, und haben nichts mehr zu erzählen, weil man sich doch auseinander gelebt hat. Jochen Distelmeyer begrüßt die schunkelnden älteren Junggesellen im Publikum mit dem Üblichen kokettierenden „Hallo, wir sind Blumfeld“, Eike Bohlken hat in der vorlesungsfreien Zeit artig die Bassline vom Apfelmann gelernt und Andre Rattay ist längst ein gewöhnlicher Gentleman geworden. Vielleicht singen ihre Kinder mittlerweile gemeinsam den Chor-Part von Superstarfighter.

Hätte man via Crowdfunding die Reunion verhindern können, um allen Beteiligten Peinlichkeiten zu ersparen, ich hätte ohne zu zögern meine Geldbörse gelockert. „Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg.“ Rückkopplung. Immer wieder Übergang zu Cole Porter – ev’ry time we say hello, I die a little. 

Aber wer weiß, vielleicht wird auch alles gut: „Rock’n’Roll hat meinem Leben einen neuen Sinn gegeben, den Faden wieder aufzunehmen.“ Ich habe nichts gegen Musiker als solche, meine besten Freunde sind welche.


Tourdaten

27.08. Köln – Live Music Hall
28.08. Frankfurt – Batschkapp
29.08. München – Theaterfabrik
30.08. A-Wien – Arena
11.09. Münster – Skaters Palace
12.09. Hamburg – Markthalle
13.09. Berlin – Astra

VVK-Start: 19.05.2014


Update: Ach, Jochen Distelmeyer veröffentlicht naturgemäß doch ein Buch. Allerdings keinen Lyrikband.

Real

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Im Supermarkt. Die Frau hat strähnige Haare und einen verbesserungsbedürftigen Zahnstatus. Sie schaut mich an, ich schaue sie an. Blitzschnell dreht sie sich um und während sie mir ihren Rücken zudreht, erkenne ich, wie sie eine große Flasche Jack Daniel’s in ihrer abgewetzten Lederjacke verschwinden lässt. Interessehalber folge ich ihr noch eine Weile durch das Labyrinth der Warenregale, dann schüttelt sie mich routiniert ab. Ich gehe nicht über los, ziehe keine 50 Euro für die Ergreifung eines Ladendiebes ein. Shoplifters of the world unite and take over.