Moleskine Hoffnungen

Moleskine
Foto: thehutch

Vor einem leeren Blatt Papier zu sitzen, ist das Schlimmste, dachte sich der Kaffeehausliterat einmal mehr. Sodann kritzelte er einige flüchtige Sätze in sein schwarzes Notizbuch, um wenigstens auf seine Umgebung nicht untätig zu wirken.

Er bestellte einen weiteren Espresso und hoffte insgeheim auf eine Wirkung seines in Maulwurfshaut eingebundenen Notizbuchs. Schließlich haben große Künstler „von Van Gogh bis Picasso und Ernest Hemingway bis Bruce Chatwin“ ein ebensolches verwendet, wie der Beipackzettel beudeutungsvoll verkündet. Warum sollte sich nicht auch ein winziger Hauch des Geistes dieser berühmten Vorbilder auf meine bescheidenen Zeilen übertragen, sinnierte der Schriftsteller, während er mit ausladender Geste reichlich Zucker in seinen Espresso schüttete. Doch bereits beim ersten Schluck ereilte ihn der bestürzende Gedanke, der geschickten Vermarktung eines Schreibwarenhändlers aufgesessen zu sein. Kein noch so legendäres Schreibzeug vermochte seine Kreativität zu beflügeln. Womöglich vollbrachte nicht einmal Goethes Federkiel dieses Wunder, geschweige denn ein überteuertes Lerderimitat aus einer chinesischen Notizbuchmanufaktur.

Seine moleskinen Hoffnungen zerplatzen jäh. Er beschloss, fortan nur noch Absinth zu trinken und sich das rechte Ohr abzuschneiden.

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Weiterführende Links:

Nachtrag 8. März 2008: Endlich ist auch der lesenswerte Artikel „Das ungeschriebene Buch“ aus der brand eins Nr. 2/2008 im Netz verfügbar. Vielen Dank an Uli für den Hinweis.

Das Herz ist ein dunkler Wald – die Wahrheit über das Filmgeschäft

Die ganz großen Karrieren im Showbusiness beginnen immer unspektakulär. Kein Weltstar ist je aus einer Castingshow hervorgegangen, sie wurden alle entdeckt. Auch meine Filmkarriere begann im April 2006 in einer Kneipe. Eine junge Dame setzte sich an meinen Tisch, was bei mir schon mal vorkommt. Sie frug mich, ob ich bei einer Filmproduktion mitwirken wolle, was bei mir in letzter Zeit eher die Ausnahme war. „Nicolette Krebitz führt Regie, Tom Tykwer ist Produzent. Nina Hoss spielt mit, Otto Sander und Monica Bleibtreu ebenfalls. Bist Du dabei?“ Ich überlegte kurz, und nachdem mir auch nach angestrengtem Nachdenken die Telefonnummer meines Agenten nicht einfallen wollte, sagte ich kurzerhand zu. Die junge Dame notierte meine Telefonnummer, machte ein unvorteilhaftes Digitalfoto von mir und verschwand. Wenige Stunden später übermittelte man mir bereits telefonisch Drehort und -zeit und forderte mich auf, meinen Sozialversicherungsausweis mitzubringen.

Nina Hoss in
Nina Hoss während der Dreharbeiten

Was am Set, wie wir Leute vom Film zu sagen pflegen, folgte, war das, was man als Tortur bezeichnen würde. „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“, sagte einst Karl Valentin. Das Drehen von Kinofilmen muss ihm verborgen geblieben sein, sonst hätte er uns mit auf den Weg gegeben, dass Filmkunst nicht nur Arbeit macht, sondern auch reine Qualen bereiten kann. Mein erster und letzter Drehtag brachte mir folgende Erkenntnisse:

  • Im April kann es bitterkalt sein.
  • Die meiste Zeit während eines Filmdrehs entfällt darauf, zu warten, dass etwas passiert.
  • Es gibt Menschen, die sich bei auf die Vermittlung von Komparsen und Kleindarstellern spezialisierten Agenturen um eine solche Rolle bewerben. Wählt man sie dann aus, um für den Bruchteil einer Sekunde durch ein Bild zu laufen oder maskiert auf einer Party zu erscheinen, so fahren sie dafür quer durch die Republik. Manche von ihnen sind Hartz-IV-Empfänger und nehmen sogar horrende Fahrtkosten, die ihre Komparsengage leicht um ein Vielfaches übersteigen können, in Kauf, nur, um einmal bei einem Filmdreh dabei sein zu können.

Erdmöbel in Hamburg am 30.09.2007 im Uebel & Gefährlich

Erdmöbel

Denkt man als Hamburger an Köln, so fallen einem lediglich BAP, Kardinal Meisner und schales Bier aus Reagenzgläsern ein. Dabei gäbe es bei weitem sympathischere Botschafter der Domstadt am Rhein, nur kennt sie leider fast niemand. So versammelten sich gestern Abend im Club Uebel & Gefährlich auch eher nur 100 als die sicherlich verdienten 1000 Zuschauer, um der wunderbaren Musik der adrett in Anzug und Krawatte erschienenen Herrencombo zu lauschen. Denken die Erdmöbel, die am Vortag ein Konzert in Münster bestritten, an die Hansestadt im Norden, so fällt ihnen als erstes ein, dass sie gern hier spielten, da Hamburg fern genug der Heimat liegt, so dass ihre Eltern nicht im Publikum weilen.

Was geht, Muschikatz?, eine Coverversion des Tom Jones-Hits What’s New, Pussycat? eröffnete im beschwingten 3/4-Takt das Konzert. Bereits 2005 zeigte die Kölner Band auf ihrer Platte Für die nicht wissen wie, dass es ihnen mit fabelhafter Leichtigkeit gelingt, internationale Klassiker wie Burt Bacharachs Close To You, Anfang der 70er Jahre ein Erfolg der Carpenters, geschmackvoll ins Deutsche zu übertragen und im eigenen Erdmöbel-Sound, einer Mischung aus Melancholie und Easy-Listening, zu präsentieren.

Kapitulation

Kapitulation, so heißt das neue Album der Band Tocotronic, welches am 6. Juli 2007 erschienen ist. Dieses habe ich ganz brav auf Compact Disc in einem Laden erworben und erhielt als Geschenk dazu das oben abgebildete T-Shirt.

Gestern hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, dieses Kleidungsstück zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auszuführen und wurde von mindestens fünf Leuten gefragt, was es damit auf sich habe. Offensichtlich ließ der Aufdruck zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten zu. Daher an dieser Stelle in aller Deutlichkeit:

„Nein, ich habe am 6. Juli 2007 nicht geheiratet.“

Es ist einfach Rockmusik.