Reiterstaffel bleibt!

Hoch zu Pferde stärken Hamburger Polizisten das „subjektive Sicherheitsgefühl“ der Bürger. Doch während des Abzettelns von Falschparkern im Innenstadtbereich muss stets ein Reiter auf dem Rücken des Rössels bleiben, um auf das Nutztier des anderen Obacht zu geben: Soll es doch weder davonlaufen, von einem urbanen Pferderipper niedergestreckt werden oder sich seines Pferdemists auf offener Straßen entledigen. Letzteres hätte zur Folge, dass wiederum ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes, der ansonsten damit beschäftigt ist, Herrchen herumkotender Hunde mit Ordnungsgeldern zu beschweren, die berittenen Kollegen und Helfer mit einem Knöllchen auszustatten. Nicht auszudenken, was dieser Ordnungsgeldkreislauf für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Reiterstaffel zur Folge hätte. Ein Gutachten der Innenbehörde hat ergeben, dass der Nutzen der behottehüten Schutzmänner die Kosten von rd. 500.000 Euro pro Jahr überwiegt. Obwohl Pferde im urbanen Raum laut Aussagen von Tierschützern eher untauglich sind, weil sie bei Großdemonstrationen viel lieber fröhlich wie auf einer Wiese durch die Menschenmenge davongaloppierten oder das weit verbreitete Kopfsteinpflaster scheuen, will die Freie und Hansestadt Hamburg die Reiterstaffel weiter ausbauen. Ich bin froh, in einer Stadt leben zu dürfen, in der die innere Sicherheit auch auf dem Rücken der Pferde verteidigt wird.

Myll, 18. August 2012: Olaf Scholz

Kann auf einem Bein stehen: Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz

1705. Sommerfest der Grünen-Bürgerschaftsfraktion im Innenhof des Rathauses. Es gibt Butterkuchen, Currywurst und Astra aus der Flasche. Toll. Mit von der Partie auch Bürgermeister Olaf Scholz. Es heißt immer, dass man auf einem Bein nicht stehen könne. Scholz kann das. (Und zwar ziemlich lange.)

Nachchtrag:

1957. Kurz in Richtung Hafen geganen. Meine Begleitung wollte nicht auf meine Warnung hören, so schlimm seien die „Cruise Days“ doch sicher nicht usw. Am Hafen angekommen ein Gequetsche und Geschiebe, Hunderttausende wollten die Schiffe sehen, die ein- und ausfahren. Was für ein Ereignis für eine Hafenstadt, wo es doch das Normalste sein sollte, wenn ein Schiff kommt. Bei keiner Bushaltestelle oder Bahnhof wird so ein Gewese um ein ankommendes Verkehrsmittel gemacht und zu diesem Zwecke kleine Fähnchen geschwenkt.

Occupy Straßenkreuzung

Hasenfüßig warten sie, bis das Gewitter vorüber zieht: 30 Menschen der selbsternannten 99 Prozent. Sie legen keine Kaufhausbrände, nicht einmal eine Mittelklasselimousine zünden sie an. Sodann stellen sie sich auf eine vielbefahrene Straßenkreuzung in Berlin-Prenzlauer Berg, blasen in Trillerpfeifen, schlagen auf Trommeln und bringen den Verkehr zum Erliegen. Sie sind wütend, halten aber ihre Transparente so, dass man kaum erkennen kann, warum eigentlich. Sie sind gegen steigende Mieten und wollen ein Recht auf Stadt etc., so ihre Schriftzüge. Immerhin haben sie ihre Demonstration nicht angemeldet.

Ich bleibe kurz stehen und fühle mich spontan solidarisch mit den Demonstranten, weil sie natürlich irgendwie recht haben mit ihren Anliegen. Dieses Gefühl verstärkt sich, als mich ein gepanzerter Polizist sehr bestimmt am Überqueren der Straße hindert und mir eine Teilnahme an der Demonstration untersagt. Ich will lediglich die Straßenseite wechseln.

Einen Moment später wundere ich mich über die diffusen Forderungen der Demonstranten. Es ist einfach, gegen etwas zu sein. Zu formulieren, wie man etwas gern hätte und wie man dorthin gelangt, ist schwierig. (In allen Bereichen des Lebens.) Wer Bundespräsident werden will, sollte sich hüten, die Anhänger der Occupy-Bewegung als naiv zu bezeichnen. Ich will nicht Bundespräsident werden.

Nach etwa zehn Minuten bittet die Polizei via Lautsprecherdurchsage höflich um Räumung der Fahrbahn. Die Okkupierer kommen dem gern nach und die Fahrgäste, die in den Straßenbahnen festsitzen, können endlich heim in ihre überteuerten Mietwohnungen fahren. Derweil ziehen die Demonstranten weiter zur nächsten Straßenkreuzung. Das Raubtier Kapitalismus lässt sich von Trillerpfeifen und Trommeln nicht zähmen.

Geheimpolizei

Ich fotografiere die Reste der ehemaligen Zementfabrik. Im Eingang einer der Hallen sitzen ein paar Punks und tun, was Punks zu tun pflegen: laut Musik hören, Lagerfeuer machen und Bier trinken. Plötzlich kommt einer der Jugendlichen auf mich zugestürmt.

„Entschuldigung, sind Sie von der Geheimpolizei?“
„Nein.“
„Na, dann ist ja gut. Wir dachten, Sie wären von der Geheimpolizei. Frohe Ostern!“
„Euch auch. Tschüss.“