Dies ist keine Übung, dies ist keine Performance. Dies ist eine „konstruierte Situation“, so der deutsch-britische Künstler Tino
Sehgal (*1976).
Ein Mensch schlendert durch den schönen Garten der Fondation Beyeler. Am Wegesrand unter einem Baum steht eine Dame. Die Dame erblickt den Flaneur und erhebt ihre Stimme. Gänzlich unerwartet singt sie eine kurze Sequenz eines von ihr frei gewählten Liedes.
„Du hast den Farbfilm vergessen“ trällert sie für den Herrn mit dem Fotoapparat, „I just called to say I love you“ säuselt sie für die Dame, die in ihr Telefon spricht, und „Who let the Dogs out“ bellt sie dem Mann mit Hund entgegen etc.
Das vorgetragene Lied passt jeweils zur vorbeigehenden Person. Der Gesang dauert nur wenige Sekunden, der Fußgänger legt dabei einen Weg von etwa fünfzig Metern zurück. Sobald der Spaziergänger die Sängerin passiert, sagt sie: „This You, Tino Sehgal, 2006“ – und das war’s auch schon.
Wenn Sie jetzt denken „Spoileralarm! Den Weg nach Basel spar ich mir“, dann verpassen sie trotz meiner Beschreibung so gut wie alles. Insgesamt acht Interpretinnen teilen sich die Arbeit im Zweischichtbetrieb. Vier von ihnen durfte ich belauschen und kann verraten, dass es erst so richtig interessant wird, wenn der Gesang verstummt.
Manche gehen teilnahmslos vorbei. Andere stimmen ins Lied ein. Manche Tanzen, andere bleiben stehen. Einige freuen sich, andere sind ratlos. Ein älterer Herr erzählt, dass er die Sängerin aus der Ferne vom Restaurant aus beobachtet hat, und sich frug, ob es sich um eine „Bordsteinschwalbe“ handle. Man möchte dann stundenlang auf der Bank daneben sitzen und den Reaktionen der Passanten zusehen. Ich habe das mehrfach getan – und würde es jederzeit wieder tun.
Alles ist flüchtig, man muss es selbst erleben. Bis zum 12. November 2017 ist die Serie von sechs aufeinanderfolgenden Präsentationen zu erlebbar. Am besten natürlich bis zum 1. Oktober. Bis dann ist noch die wunderbare Wolfgang-Tillmans-Ausstellung in den Räumen der Fondation zu sehen.
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Dieser Artikel wurde ermöglicht durch die freundliche Einladung zu einer Bloggerreise. Vielen Dank an die Fondation Beyeler.