Verlag

für G.P.

Sie sagt, ich schriebe auch nicht schlechter als die designierte Debütantin mit dem mangelhaften Sprachgefühl, auf deren Manuskript der Lektor gerade wartet. Also mache ich meine Aufwartung bei dem ehemals renommierten Verlag, der seine Immobilie und sein Archiv verscherbelt hat, um in die Hauptstadt zu ziehen, wo jetzt die Geistesmenschen, die zuvor nie auch nur eine Zeile zu Papier gebracht haben, unter der Ägide der das Lebenswerk ihres verstorbenen Mannes zugrunde richtenden Verlegerwitwe literarische Wunder wirken sollen. Ich komme nicht weiter als bis zum Pförtner. Ihm sage ich, dass sie, und genau so pflegte sie sich auszudrücken, es nicht länger mit ansehen könne, wie ich mein Talent mit Füßen trete, und ich daher beabsichtige, in diesem Verlag umgehend meinen ersten Roman zu veröffentlichen etc.

Der Pförtner, welchem derartige Auftritte nicht fremd zu sein scheinen, bittet routiniert um mein Manuskript. Ich gestehe ihm, dass naturgemäß auch ich bislang nichts als prosaische Fingerübungen, also reines Stückwerk zu Wege gebracht habe; dass dies aber kein Hindernis für ein fulminantes Romandebüt sein solle. Ganz im Vertrauen winke ich seinen Kopf ganz nah zu dem meinen heran und flüstere ihm ins Ohr: „Manchmal, wenn es regnet, stehe ich nackt auf dem Balkon und lese laut aus dem Werk von Rainald Goetz.“ (Hätte ich einen nur halbwegs passablen Agenten, ließe die Verlegerwitwe ohne zu zögern den Vertrag ausfertigen.)

Pawlowscher Pool

Schwimmbecken des Hotels Panoramico in Funchal, Madeira

Immer wenn ich im Sankt Oberholz am Rosenthaler Platz, Berlin, meine Notdurft verrichte, denke ich an einen Swimming Pool. Weniger, weil ich als Kind gern in Nichtschwimmerbecken gepinkelt habe, was ich nie tat, sondern weil aus den Lautsprechern der mit sanitären Einrichtungen ausgestatteten Räumlichkeiten stets ein Hörspiel ertönt. Dies ist zwar in der Regel angenehm, verlängert aber gemeinhin meinen dortigen Aufenthalt nie länger als unbedingt nötig.

Warum nun aber diese eigenartige Konditionierung? In Zeiten des öffentlich-rechtlichen Depublikationsunwesens bereichert uns ausgerechnet die bayerische Rundfunksendeanstalt mit akustischen Perlen ungeahnten Ausmaßes: Lange über die ansonsten üblichen sieben Tage hinaus, beglückt uns Bayern 2 mit dem sogenannten „Hörspiel Pool“ in Form eines dauerhaft kostenlos herunterladbaren Podcastangebotes.

Hier finden sich keine von stumpfsinnigen Schauspielern unmotiviert abgelesene Romanfragmente, sondern größtenteils liebevoll bearbeitete Klangkunstwerke, die es anzuhören lohnenswert ist. Erfreuen auch Sie sich an Kafkas Process, Daths Abschaffung der Arten oder Goetz‘ Loslabern etc.

Und wenn Sie das nächste Mal in besagtem Café die Keramikabteilung besuchen, denken auch Sie an den Pawlowschen Pool.