Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg.
(Blumfeld, Verstärker)
Bei gleißendem Sonnenlicht in einem abgedunkelten Aufnahmestudio stundenlang in Kopfsprechhörer reden und unter den Ohrmuscheln beginnen zu schwitzen. Dabei Bier trinken und zahlreiche Gedanken, die nicht die meinigen sind, vorbeiziehen lassen. Gleichzeitig an einem Tisch sitzen und doch woanders sein. Einfach so.
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Josef Hader – Ende der Diskussion
Immer wenn ich im Sankt Oberholz am Rosenthaler Platz, Berlin, meine Notdurft verrichte, denke ich an einen Swimming Pool. Weniger, weil ich als Kind gern in Nichtschwimmerbecken gepinkelt habe, was ich nie tat, sondern weil aus den Lautsprechern der mit sanitären Einrichtungen ausgestatteten Räumlichkeiten stets ein Hörspiel ertönt. Dies ist zwar in der Regel angenehm, verlängert aber gemeinhin meinen dortigen Aufenthalt nie länger als unbedingt nötig.
Warum nun aber diese eigenartige Konditionierung? In Zeiten des öffentlich-rechtlichen Depublikationsunwesens bereichert uns ausgerechnet die bayerische Rundfunksendeanstalt mit akustischen Perlen ungeahnten Ausmaßes: Lange über die ansonsten üblichen sieben Tage hinaus, beglückt uns Bayern 2 mit dem sogenannten „Hörspiel Pool“ in Form eines dauerhaft kostenlos herunterladbaren Podcastangebotes.
Hier finden sich keine von stumpfsinnigen Schauspielern unmotiviert abgelesene Romanfragmente, sondern größtenteils liebevoll bearbeitete Klangkunstwerke, die es anzuhören lohnenswert ist. Erfreuen auch Sie sich an Kafkas Process, Daths Abschaffung der Arten oder Goetz‘ Loslabern etc.
Und wenn Sie das nächste Mal in besagtem Café die Keramikabteilung besuchen, denken auch Sie an den Pawlowschen Pool.
Manchmal schreibe ich nicht nur, sondern spreche auch ein paar Worte in ein Mikrofon und stelle das ins Internet. Und weil man das abonnieren kann, nennt sich das Podcast. Das tue ich natürlich nicht allein, weil ich gar nicht so viel zu erzählen habe, und es auch sehr langweilig wäre, mir stundenlang zuzuhören.
Wenn ich mit Sven und Stefan podcaste, dann heißt es „Hamburger zum Mittag“; leider bin ich zuletzt nicht mehr so oft dabei gewesen, da ich zumeist in Berlin weilte.
Weil es aber auch in der Hauptstadt so einiges zu erzählen gibt, habe ich gemeinsam mit Mathias Richel im Juni dieses Jahres „Das Wort zum Sonntag“ gestartet. Wir reden dort über alles und jeden. Mal haben wir Gäste, mal sind wir nur zu zweit. So auch bei dieser Folge mit der Nummer 14. Kurz vor Weihnachten wird es etwas besinnlicher. Wir denken uns unsere jeweilige Zeit im Zivildienst zurück:
Einmal noch und dann kein Wort mehr über Bücher. Vorerst. Alles, was zwischen zwei Buchdeckel passt, findet sich auf dem Frankfurter Messegelände: Verlage, Agenten, Großhändler, Kleinhändler – alles dreht sich um das Geschäft. Samstag ist die Messe für das Publikum geöffnet, das aber eher stört, weil es die engen Gänge zwischen den Ständen verstopft, nach Werbekugelschreibern verlangt und am Ende der Rolltreppen grundsätzlich stehenbleibt.
Am Stand unseres Verlages steht eine prall gefüllte Großverpackung zur Verkaufsförderung mit unserem Buch. Noch nie habe ich gesehen, wie jemand darauf reagiert und schleiche ein wenig herum, um zu spüren, wie es sich anfühlt, wenn ein fremder Mensch das eigene Buch in der Hand hält, um in einem Interview später einmal die stets danach gestellte Frage korrekt beantworten zu können. Kurze Zeit später kommt ein älterer Herr, greift nach dem Buch, blättert darin, schüttelt seinen Kopf und legt es wieder zurück. So ist das also, wenn jemand das eigene Buch in der Hand hält, denke ich und hoffe, dass ich in einem Interview nie danach gefragt werde.
Dann lesen wir ein bißchen vor und sind froh, dass so viele Menschen gekommen sind, um uns zuzuhören, obwohl wir weder Nobelpreisträger noch Busenwunder sind oder in einem skandalumwitterten Sachbuch den Untergang des Abendlandes proklamiert haben. Wir belohnen uns mit einem miesen Messeschnitzel für 20 Euro und geben dem Literaturcafé ein Interview, in dem wir nicht danach gefragt werden, wie es sich anfühlt, wenn man jemanden betrachtet, der in dem eigenen Buch liest.
Wer sich für Bücher interessiert, sollte besser in die Buchhandlung seines Vertrauens gehen, und zwischen all den überdimensionierten Werbetragetaschen mit Verlagsborschüren, die schon morgen im Altpapier landen werden, entdecke ich im Augenwinkel doch noch eine interessante Neuerscheinung: „Vorstellung meiner Hände“, Gedichte aus dem Frühwerk Rolf Dieter Brinkmanns.
Noch einmal zurückgekehrt an den Stand unseres Verlages, bemerke ich, dass das Buch gut läuft: Nur noch ein Exemplar ist vorhanden, obwohl kein Verkauf stattfindet. Schwund. Auf Buchmessen soll die Diebstahlquote ein Indikator für den Erfolg eines Titels sein, sagen Branchenkenner.
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Nachtrag: Hier kann man unser Interview mit dem Literaturcafé auch anhören:
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