Die Kernfusion im Wasserglas


Foto: niallkennedy

Ich hätte auch gern etwas Kleines. Nein, nicht was Sie jetzt wieder denken mögen. Ich will nichts, was schreit und in die Hose macht. Mir schwebt eher etwas vor, das silbern schimmert und lieblich klingelt. Kürzlich präsentierte mir ein gadgetverliebter Freund voller Stolz sein neues Mobiltelefon – natürlich ein iPhone. Mit leuchtenden Augen und einer übertriebenen Bedeutung in der Stimme erklärte er mir, dass man damit nicht nur telefonieren, unterwegs im Internet surfen oder Musik hören könne. „Dieses edle Designwerkzeug bringt einen wahren Mobilitätsschub. Es vermittelt dir ein völlig neues Lebensgefühl“, sagte er voller Stolz und wirkte dabei etwas wie einer dieser synchronisierten Laienverkäuferdarsteller auf dem TV-Sender QVC. Meinen lakonischen Versuch, seine flammende Anpreisung zu stoppen, indem ich anmerkte, dass es vermutlich nichts auf der Welt gäbe, was dieses Telefon nicht könne – von der Zubereitung eines Gurkensandwiches bis hin zur Kernfusion im Wasserglas -, überhörte er geflissentlich. „Es kann nicht nur fast alles, es sieht dabei auch noch verdammt gut aus“, fuhr er seine Verkaufsschau unaufhaltbar fort. Auch Tom-Tom, der zweijährige Sohn meines Freundes, welcher seinen Doppelnamen einem wegweisenden Elektrogerät verdankt, bemerkte schnell, dass dieses plötzlich aufgetauchte silberne Gerät die Welt veränderte. Nun stand nicht mehr er im Mittelpunkt des Geschehens, sondern dieses neue Telefon.

Das musst Du unbedingt haben, dieses Telefon, dachte ich damals noch, als vor ungefähr einem Jahr ein unrasierter grauhaariger Mann in einem schwarzen Rollkragenpullover das Gerät erstmals einer staunenden Öffentlichkeit präsentierte. Seitdem träumte ich jeden Tag von dem geschmeidigen Utensil mit der berührungsempfindlichen Bedienoberfläche.

Radkappenschändung

Radkappe oder Aluminiumfelge?

Soeben habe ich eine Frau beim Einparken beobachtet, die mit ihrem Fahrzeug in einem ungünstigen Winkel und mit zu hoher Geschwindigkeit in eine Parklücke stieß, so dass mir dabei das vertraute Geräusch zerberstender Radkappen zu Ohren kam. Es hätte natürlich genauso gut ein Mann sein können, der sich des fehlerhaften Einparkens schuldig machte; das wäre gar keine Schande gewesen, schließlich sind Parkräume in Großstädten rar und die für das Abstellen eines Personenkraftwagens vorgesehenen Lücken sehr eng. Es war aber nun einmal eine Frau.

Kurz nachdem ich, vermutlich gegen den Willen meines Fahrlehrers, der sicher gern noch einige gut bezahlte Übungsstunden mit mir verbracht hätte, die Fahrerlaubnis für das Führen eines Kraftfahrzeuges erlangte, ging in unserer Famile ein Fluch um. Etwa einmal wöchentlich war eine der aus Kunststoff gefertigten Radkappen des gemeinschaftlich genutzten Familien-PKWs in Folge eines unsachgmäßen Einparkvorganges beschädigt. Mein Vater verdächtigte mich, ich verdächtigte meine Mutter, meine Mutter verdächtigte meinen Vater der Radkappenschändung.

Der Kreislauf des gegenseitigen Misstrauens wurde erst durchbrochen, als mein Vater vor den Augen der gesamten übrigen Familie beim Einfädeln in eine Parkbucht einen Bordstein so touchierte, dass das mir heute wieder in Erninnerung gerufene Berstgeräusch erstmalig zu Ohren kam. Zum Leidwesen der KfZ-Zubehörindustrie, die damals gute Geschäfte mit der Ersatzlieferung von Kunststoffradkappen machte, stieg man in Folge dieses Ereignisses stillschweigend auf unzerstörbare Aluminiumfelgen widerstandsfähigeres Felgenmaterial um. Wahlweise hätten wir natürlich auch eine Einparkhilfe besorgen können, aber so sieht das Auto nun auch noch besser aus.

Ionenfön

Kürzlich hat sich mein alter Haartrockner verabschiedet. Über viele Jahre war er Tag für Tag ein treuer Begleiter. Zuletzt wurde es mir aber zu heiß mit ihm. Statt lauwarmer Luftströme, die die Formung einer ansprechenden Frisur unterstützen sollten, spie er meinem schonungsbedürftigen Haupthaar nur noch Hitzestürme entgegen. Sein Innerstes glühte dabei rot auf und erhitzte sich so stark, dass er mich zunehmend an eines dieser elektrischen Heizgeräte, wie sie an Glühweinständen auf Weihnachtsmärkten zu finden sind, erinnerte. Glühwein mochte ich noch nie und ich lehne es ab, allmorgendlich an die Existenz eines erwärmten und mit Gewürzen versehenen Fusels erinnert zu werden. Als wäre dies allein nicht schon schlimm genug, verweigerte mein alter Fön auch noch nach Belieben seinen Dienst. Manchmal ging er plötzlich aus. Manchmal ging er gar nicht erst an. Und an besonders launischen Tagen ging er erst plötzlich aus und dann gar nicht mehr an. Es wurde also Zeit, sich nach einem Ersatz umzusehen.

Mein neuer Ionenfön

Beim Elektrogerätehändler meines Misstrauens wurde ich mit einer unglaublich großen Anzahl von Haartrocknermodellen konfrontiert. Kein Mensch, der nicht Experte ist, ist angesichts der Komplexität der Materie in der Lage, die richtige Kaufentscheidung zu treffen. Es gibt Föne zum Klappen, mit Styling-Düsen, mit Kalttasten, mit 2000 Watt, aus Chrom, mit Wandhalter, mit Diffuser und mit Kabelknickschutz. Alles Schnee von gestern.

Brombeeren weisen Weg aus Energiekrise

BrombeerenNoch vor wenig mehr als zehn Jahren hat man Menschen milde belächelt, die unterwegs geschäftig tuend in einen zu groß geratenen digitalen Knochen mit Antenne sprachen. Heute können wir uns unser Dasein ohne mobile Telefonie kaum noch vorstellen und in wenigen Jahren bereits wird jeder AchtFünftklässler mit seiner eigenen Brombeere ausgestattet sein.

Hierbei ist weniger von Früchten der weltweit verbreiteten Pflanzengattung Rubus aus der Famile der Rosengewächse als gesunde Beigabe zum Pausenbrot die Rede, sondern von elektronischen Spielzeugen für aufstrebende Möchtegernmanager, die ihre Bedeutung für den Kreislauf des Wirtschaftslebens nicht realistisch einzuschätzen wissen. Wie der Zufall es wollte, saß mir heute morgen ein anzugtragender Jüngling in der U-Bahn gegenüber, der ein solches Empfangsgerät für elektronische Post sein Eigen nannte (oder dieses zumindest eigenkapitalschonend geleased hat). Während der gesamten, fast halbstündigen Fahrt, drehte er unablässig mit seinem Daumen an dem an der Seite des Gerätes befindlichen kleinen Rädchen. Sein kleinster Finger fing dabei fast an zu glühen und man konnte den Eindruck haben, dass der Herr glaubte, die Bahn würde sofort anhalten, wenn er aufhörte das winzige Rädchen zu betätigen.