Was vom Winter übrig bleibt

Eisig und weiß liegt die Flur,
es wird Nacht und es schweigt die Natur,
ein Anblick so vertraut,
noch einmal und es taut
der Schnee

(Blumfeld)

Hamburg: 4 Grad. Zehn Tage war ich nicht in der Stadt. Es ist nun wahrlich nicht so, dass plötzlich der Frühling ausgebrochen wäre, aber es taut doch merklich. Noch immer muss man Obacht geben, nicht auszurutschen. Wer jetzt hinfällt, wird unangenehm nass — da ist ein blauer Fleck noch das kleinere Übel.

In Berlin habe ich unter der Dusche immer Radio gehört. Radio höre ich sonst nie. Man hört dort Musik, die man gar nicht hören will, und erfährt dort Dinge, die man gar nicht wissen will. Vorgestern habe ich erfahren, dass jemand das Gewicht des in der Hauptstadt liegenden Schnees in Elefanten umgerechnet hat — um sich das besser vorstellen zu können: vier Milliarden Elefanten (vielleicht waren es auch nur vier Millionen). Eine tolle Einheit ist das, jetzt kann ich mir alles viel gleich viel besser vorstellen und frage mich, warum die Schneemenge nicht in Fußballfelder umgerechnet wurde. Wo doch sonst immer alles in Fußballfelder umgerechnet wird. Aber auch in Berlin wird der Schnee irgendwann schmelzen und ich bin gespannt, in welche Einheit man dann die dabei freigesetzte Menge an Flüssigkeit umrechnen wird. Milchseen oder Champagner-Doppel-Magnum-Flaschen wären eine probate Maßeinheit. Fußballfelder sind doch zu zweidimensional; schade eigentlich.

In Hamburg höre ich kein Radio unter der Dusche. Hier hat sich nichts verändert. Das Sofa im Café steht noch immer im Keller. Der Schnee schmilzt.

Wohne Orte #7

Silvester 2009

Dieses Mal kein Bleigießen mit befreundeten Pärchen, an deren Tisch er für eine ungerade Gästezahl gesorgt hätte. Stattdessen verbrachte er den Jahreswechsel allein mit seinem Fotoapparat auf einer Party mit 2000 Menschen. Normalerweise fotografierte er die Tristesse der Großstadt, an diesem Abend jedoch widmete sich sein Objektiv lächelnden Gesichtern. Fröhlich feierten sie vor sich hin; sie hatten einen stattlichen Eintrittspreis bezahlt — für sie musste es die Party des Jahres werden.

Er hingegen musste nur draufhalten, was mit zunehmendem Alkoholgenuss im Laufe des Abends immer leichter fiel. „Ich bring‘ dich ganz groß raus“, hatte er im Spaß zu den Attraktiveren gesagt. Bei einigen von ihnen war er sich jedoch nicht sicher, ob sie die Ironie, die in seinen Worten mitschwang, zu verstehen vermochten.

00:00:00 Uhr, man schrieb jetzt das Jahr 2010: draußen ein Feuerwerk, neben ihm ein zögerliches Knallen von Schaumweinkorken. Die Menschen um ihn herum fielen einander plötzlich in die Arme, nur er stand ganz einsam mit seiner Kamera da.

Wenngleich auch seine Beschreibung dieses Abends etwas melancholisch klang, so wäre die Behauptung, er hätte gar keinen Spaß gehabt, unzutreffend gewesen. Schließlich hatte er viel weniger auszustehen als die jungen Damen, die an der Garderobe unermüdlich gegen das Chaos kämpften.

Wedding

Ein Schlauch, ein Kleinkraftrad, ein Hinterhof, zwei Bauwagen — Wedding. „Der Wedding“, wie der Berliner zu sagen pflegt. Ein Ortsteil im Bezirk Mitte von Berlin; zentral gelegen und dennoch unspektakulär.

Meine Wedding Nights: schlaflos, aber trotzdem einsam.

Mehr Bilder hier und dort.