Bekanntlich mache ich mir nicht viel aus Reisen. Hier ist der Beweis: Mein Telefon hat meine Aufenthaltsorte der letzten Jahre aufgezeichnet und ein kleines Programm macht diese nun sichtbar.
Im vergangenen Jahr hielt ich mich – abgesehen von zwei kurzen Abweichungen nach Norden und in den Süden – überwiegend in Hamburg und Berlin auf.
Ausreißer nach oben und unten sind künftig zu vermeiden.
Bundesminister des Inneren Dr. Wolfgang Schäuble: „Ich möchte Kaffee trinken.“
Adjutant Dr. Taschenträger: „Ich kenne hier in der Nähe ein sehr schönes Café namens Balzac Coffee. Sie werden sich dort bestimmt wohlfühlen, Herr Minister.“
Wolfgang: „Ist es weit?“
Adjutant: „Nein, ganz nah, es liegt nur wenige Umdrehungen entfernt.“
Wolfgang: „Ist es auch sicher dort?“
Adjutant: „Sehr sicher, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Alle Kunden werden während ihres Aufenthalts dort videoüberwacht. Das Café verfügt über modernste Technik. Die aufgezeichneten Bilder werden sofort mit den biometrischen Reisepassdaten abgeglichen. Sollte ein vermeintlicher Terrorist einen Latte macchiato halbfett mit Sojamilch bestellen, wird vollautomatisch die GSG9 alarmiert. Die Türen verriegeln sich selbsttätig bis zum Eintreffen der Einsatztruppe.“
Wolfgang: „Mhh.“
Adjutant: „Dieses Café hat den Förderpreis für Staatssicherheit des Bundesministeriums für Inneres 2007 und 2008 gewonnen und ist offizieller Sponsor der Innenministerien aller CDU-regierten Bundesländer.“
Wolfgang: „Auch von Hamburg, da regieren doch demnächst die Grünen?“
Adjutant: „Gerade in Hamburg. Hier wurde das Balzac-Imperium schließlich ins Leben gerufen. Es besteht ein direkter Draht zu Innensenator Nagel in Form eines beidseitigen Techniktransfers. Dank des Einsatzes der Videotechnik in der Kaffeehauskette konnte die Videoüberwachung der gesamten Ausgehmeile rund um die Reeperbahn sowie großer Teile des alternativen Stadtteils St. Georg sichergestellt werden.“
Wolfgang: „Das gefällt mir. Was gibt es sonst über diesen Coffeeshop zu berichten?“
Adjutant: „Eigentlich sollte es ja noch ganz vertraulich bleiben, aber Vanessa Kullmann, die Unternehmensgründerin, berichtete mir, dass die Hauptabteilung „Aufklärung“ der Cafékette gerade dabei ist, einen Geschirrspüler zu entwickeln, der auf den benutzten Kaffeetassen sowohl die von den Kunden hinterlassenen Fingerabdrücke einliest als auch deren DNA-Spuren speichert. Die gesammelte Datenmaterial wird dem Innenministerium selbstredend zugänglich gemacht.“
Wolfgang: „Und gibt es bei Balzac Coffee auch W-LAN?“
Adjutant: „Selbstverständlich kann man dort kabellos im Internet surfen. Sobald sich ein Besucher des Coffeeshops in das Netz einwählt, wird automatisch der Bundestrojaner installiert.“
Wolfgang: „Ganz wunderbar, gefällt mir sehr, diese Frau Kullmann. Vielleicht sollte ich sie zu meiner neuen Staatssekretärin machen. Gibt es auch etwas Negatives zu berichten?“
Adjutant: „Kürzlich klagte ein Kunde der Kaffeekette gegen die Videoüberwachung. Die Entrüstung darüber hielt sich jedoch nur sehr kurz und ebbte ab, nachdem das Unternehmen vorgab, die Videokameras umgehend zu entfernen. Die Kunden hielten dem Unternehmen die Treue, allen voran die Kreisverbände der Jungen Union und die Neigungsgruppe „Big Brother“. Nach und nach kamen auch die alten Stammkunden zurück, sodass der Wahl Frau Kullmanns zur „Unternehmerin des Jahres“ auch diesem Jahr nichts mehr im Wege steht. Ist ja auch alles halb so schlimm, wie das Unternehmen seinen Kunden auf Anfrage mitteilte. Selbstverständlich wurden mittlerweile in allen Filialen Videokameras mit modernster Nanotechnologie installiert, die für das menschliche Auge nicht mehr zu erkennen sind. Schließlich muss die Überwachung weitergehen.“
Wolfgang: „Taschenträger, machen Sie mir einen Termin mit der Dame, ich muss sie unbedingt kennenlernen.“
Adjutant: „Sehr wohl, Herr Minister.“
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