Izis

Im April fotografierten wir uns gegenseitig noch zum Spaß unter der überlebensgroßen Skulptur Willy Brandts. Dieses Mal durchschreite ich die hellen Ausstellungsräume der Parteizentrale allein: IzisParis des Rêves. Ich glaube, ich habe noch nie von Paris geträumt. Die mehr als 300 gezeigten Schwarz-Weiß-Fotografien aus Frankreich, England und Israel sind mir eine dankbare Zerstreuung. Poetischer Realismus.

Katalysator

Vor einem Jahr: eine ausgelassene Weihnachtsfeier mit allen Klischees. Die üblichen Gesellschaftsspielchen und Menschen, die zuvor einander nicht sonderlich verbunden waren, kommen sich unter Einfluss von Alkohol plötzlich näher. Ein Katalysator ist ein Stoff, der die Reaktionsbeschleunigung positiv beeinflusst. Ich mochte sie von Anfang an. Wir waren beide schon etwas betrunken und küssten uns in einer Abstellkammer. Obwohl bereits den ganzen Abend eine gewisse Spannung zwischen uns in der Luft lag, kam es dazu recht unvermittelt. Fast etwas schüchtern, aber sehr schön war es. Später werde ich ihr sagen, sie hätte mich in die Kammer hineingezogen, dabei habe ich sie natürlich auch ein bißchen geschubst. Häufig gingen wir danach miteinander im tiefsten Schnee spazieren. Vier Wochen später küssten wir uns noch einmal, dann kam alles anders.

Kalter Hund

Kalter HundWenn alles schlecht ist, dann hilft im Sommer ein Eis und im Winter ein Kuchen; Kaffee natürlich immer. Heute: Kalter Hund. Ein Kuchen aus Keksen und Schokolade. Kindheitserinnerung könnte man meinen, doch bei mir zuzhause gab es niemals kalten Hund – und so einen wie in diesem Café an einer vielbefahrenen Straßenkreuzung im Prenzlauer Berg schon gar nicht: enthält Spuren von Alkohol. Liegt schwer im Magen, ist aber trotzdem sehr lecker. Ich überlege, ob ich selbst ein kalter Hund bin, aber man sagt gewöhnlich „harter Hund“. Das Fremdbild weicht vom Selbstbild ab. Ödon von Horváth schrieb: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“

Traurige Lieder

Nebenan sitzt eine Frau und singt traurige Lieder. Ich habe sie nur einmal gesehen. Sie sah gar nicht traurig aus und wirkte auch überhaupt nicht so – man sieht es den Menschen nicht an. Mehrfach am Tag greift sie zu ihrer Gitarre und singt dazu. Immer nur für ein paar Minuten, nicht leise. Ihre Texte kann ich nicht verstehen, doch die Melancholie ihrer Stimme dringt durch die Wände. Sie singt mit Inbrunst.