Nach dem recht kläglichen Backversuch gestern, unternehme ich heute einen neuen Anlauf. Ich kaufe frische Hefe und Roggenmehl. Ansonsten ist der Versuchsaufbau identisch.
„Du musst kämpfen. Wie in Braveheart„, hat mir einst jemand geraten, der es gut mit mir meinte. Doch der große Kampf ist meine Sache nicht – zu niederschmetternd waren die Niederlagen der letzten Zeit. Es ist mehr ein letztes Aufbäumen gegen den störrischen Hefeteig. Vorerst steht es unentschieden.
„Mir schmeckt dein Essen nicht.
Es ist mit Hass gekocht. Das ist es.“
(Heinz Strunk)
Seit einiger Zeit habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, das Haus am Wochenende nur noch in Notfällen zu verlassen. Blöd nur, wenn man wieder einmal vergessen hat, Nahrungsmittel zu erwerben. Aus den letzten Zutaten buk ich heute Brötchen. Nicht irgendwelche, sondern die hässlichsten Brötchen von ganz Berlin. Mehl, Hefe, Salz, ein paar Körner, Wasser. Kneten, Warten, Backen, fertig. Ganz einfach.
Dass Backen Liebe sei, will uns die Werbung weismachen. Ich habe heute mit Hass gebacken.
„Da man aber nicht immer nur schreiben kann, gab es große Lücken zu füllen.
Ich füllte sie mit Scotch, Bier, Ale und Frauen. Mit den Frauen hatte ich meistens
Pech, und die Folge war, dass ich mich stark aufs Trinken konzentrierte.“
(Charles Bukowski, Hollywood)
Gestern nur ein einziges Bier getrunken, heute trotzdem dehydriert erwacht. War vermutlich doch zu wenig.
Es ist keine richtige Verabredung. Sie sagt ihm, dass sie da sein werde, und er geht zur genannten Zeit in die kleine Galerie im Lichthof des Universitätsgebäudes. Sie, die Kunsthistorikerin, führt durch die Ausstellung und zieht an diesem Abend den Säbel dem Florett vor. Er, der Trottel, erkennt weder die Duchamp-Referenz noch hat er Walter Benjamin gelesen. Dafür verfügt er, so sagt sie, über ein provinzielles und längst überholtes Kunstverständnis. Zum Abschied diskutiert man auf einer Straßenkreuzung, was eigentlich Kunst ist – eine Fragestellung, die sie überhaupt nicht interessiert. Dann geht man getrennte Wege.
Am folgenden Tag gibt es im Büro Negerkussbrötchen. Er erinnert sich an seine Kindheit in der Provinz und wie er damals auf dem Weg zur Schule heimlich mit Mohrenköpfen belegte Rundstücke erwarb. Die Bäckereifachverkäuferin wusste darum, dass diese Art des Pausenbrotes bei Eltern und Lehrern gleichermaßen ernährungsphysiologisch verpönt war. Aus diesem Grunde zwinkerte ihm die Bäckersfrau stets konspirativ zu. Die in der früheren DDR sozialisierten Kollegen kennen keine Negerkussbrötchen und wundern sich über diese eigentümliche Konstellation. Ihn wiederum wundert, dass es über zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch kleine Entdeckungen gibt, die daran erinnern, dass das Land vormals geteilt war.
Ob die Kunsthistorikerin sich für Negerkussbrötchen interessiert, weiß er nicht. Wohl aber, dass sie immerzu Salat isst.
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