Journalisten sind auch nur Menschen

Früher hieß es „enteignet Springer“. Am vergangenen Mittwoch jedoch begaben sich etwa 20 Blogger in die Redaktion der Welt Kompakt. Von der Höhle des Löwen mag man kaum sprechen, zeigt sich doch das zu einem großen Teil von Schülern der hauseigenen Journalistenschule gemachte Blatt eher zahnlos: Die großen Nachrichten werden gebracht, ein paar Agenturmeldungen zusammengeschrieben und das ganze wird mit ein paar Themen aus dem Internet angereichert. Kurzum: 32 Seiten Zeitung im handlichen Format, die sich schnell auf dem Weg zur Arbeit verdauen lassen. Eine Zeitung für Menschen, die eigentlich gar keine Zeitung mehr lesen –  zwar aus dem gleichen Hause, aber doch fernab jeglicher Bildallüren.

Zu pointierten Überschrift neigt man aber auch bei der kleinen Schwester des konservativen Flaggschiffs des Konzerns: „Blogger kapern die Welt Kompakt“, hieß es hier im Vorfeld. Eine Einladung, bezahlte Anreise und Übernachtung sowie ein kleines Honorar lassen jedoch bei genauerer Betrachtung nicht auf eine Bemächtigung der Netzgemeinde schließen.

Im Vorfeld der Entstehung der Scroll-Edition gab es große Diskussionen, die hauptsächlich um das Thema „Honorar“, aber auch um die Kommunikation seitens des Verlages kreisten. Aus meiner Sicht wurde hierbei zu wenig zwischen professionellen Medienmachern, die freiberuflich tätig sind, und Bloggern, die das Ganze mehr oder weniger zum Spaß machen, differenziert. Erste erheben natürlich zu recht Anspruch auf ein angemessenes Honorar, während Letztere vielleicht doch eher mal in das Zeitungsmachen hineinschnuppern wollten. Mein halbes Leben lang lese ich nun fast täglich eine Tageszeitung – bei mir stand das Interesse, zu sehen, wie eine solche gemacht wird, dann auch bei meiner Zusage, an diesem Experiment teilzunehmen, im Vordergrund.

„Möglicherweise erinnern Sie sich an unsere Werbekampagne aus 2009, in der wir über Internetphänomene wie »Wir haben online so viele Freunde, dass wir ein neues Wort für die echten brauchen“«, nachgedacht haben. Nun wollen wir in dieser Auseinandersetzung mit dem Internet einen Schritt weitergehen, indem wir für eine Sonderausgabe die Redaktion durch Online-Publizisten austauschen und damit die Schreibe des Internet mit dem Medium Papier verbinden –– was auch immer dabei herauskommt“, hieß es in der Einladung des stellvertretenden Chefredakteurs der Welt-Gruppe, Frank Schmiechen. Gerade der letzte Halbsatz „was auch immer dabei herauskommt“ war jedoch vielen der Beteiligten dieser Versuchsanordnung nicht klar.

Nachdem man sich erst um 11 Uhr zunächst zu einem kleinen Stelldichein bei einem Gläschen Sekt zusammengefunden hat, wurde eine Redaktionskonferenz abgehalten. So geht also Zeitungmachen, dachte ich. Nur wenige der beteiligten Blogger haben je an einer solchen teilgenommen. Die Journalismuserfahrenen waren vorbereitet und hatten zuvor in Google News ein paar nachrichtenrelevante Meldungen in Erfahrung gebracht – neben der an diesem Tage natürlich alles dominierenden Wahl des Bundespräsidenten war die Lage jedoch eher ruhig.

BILDblogger für einen Tag

Mitten in der Nacht klingelt das Telefon und weckt mich jäh aus meinen süßesten Bloggerträumen.

boschblog (noch sehr verschlafen): „Redaktion boschblog, ich höre.“
BILDblog: „Redaktion BILDblog, guten Morgen, Herr Kollege. Wir brauchen dringend Ihre Unterstützung. Harald Martenstein wollte heute einen Beitrag für uns schreiben. Nun ist der aber leider krank geworden.“
boschblog (noch immer verschlafen): „Und was soll ich dagegen machen?“
BILDblog: „Sie müssen für ihn einspringen, bitte. Sie können uns jetzt nicht hängen lassen.“

Ganz so war es natürlich nicht. Gestern suchte das BILDblog allerdings tatsächlich im Rahmen seiner Adventsaktion nach einer Vertretung für den verhinderten ZEIT-Kolumnisten. Da auch ich Bild-Chefredakteur Kai Diekmann am liebsten von hinten sehe, fühlte ich mich natürlich berufen. Zu meiner großen Überraschung wurde ich schließlich als einer von drei Kandidaten unter über 70 Bewerbern ausgewählt, heute einen Gastbeitrag für das BILDblog zu verfassen, was mir nicht nur großes Vergnügen, sondern auch die Qual einer mehr als einstündigen Lektüre der Bild bescherte. Was für einen Großteil der Bevölkerung wie Homöopathie klingt, war für mich nah an der letalen Dosis.

Harald Martenstein wünsche ich auf diesem Wege noch einmal baldige Genesung – und mir ab morgen wieder die gewohnte Qualitätszeitung auf dem Frühstückstisch.

Urlaubsvertretung

Computerfreak, Computerfreak

Das da oben ist eine Kugelschreiberkritzelei, auf der ich trotz etwas krummer Nase zu erkennen bin. Mein Dank für dieses Meisterwerk gilt lady-kinkling.

Anders als der sonnige Titel dieses Beitrages vielleicht vermuten lässt, werde nicht ich mich in den nächsten Wochen in einem wohlverdienten Urlaub vergnügen, sondern habe zusammen mit Sven die Vertretung des Bloggerkollegen Stefan übernommen. Stefan weilt derzeit für gut drei Wochen in Vietnam und schreibt in seinem jovelblog normalerweise über Fußball, Internet und Münster (manchmal auch über Hamburg). Da es sich um Ehrenamt handelt, welches man bekanntlich nicht ablehnen darf, habe ich dort auch bereits ganz pflichtbewusst einen ersten Beitrag veröffentlicht. Weitere folgen in den nächsten Tagen. Ich wünsche Stefan von hier aus einen phantastischen Urlaub und gratuliere noch einmal ganz nebenbei zu seinem heutigen ersten Bloggeburtstag.

Das Gegenteil von Kreativität

Erst vor einer Woche schrieb Textspeier, der auf seinem Blog täglich sprachakrobatische Kleinode veröffentlicht, dass man seine Inhalte böswillig geklaut habe. Wieder einmal hat jemand fremde Texte unter eigenem Namen veröffentlicht und keinerlei Hinweise auf den Urheber gegeben. Damals dachte ich noch, dass mir so etwas nicht passieren könne, nun ist es geschehen:


Screenshot des Fakeblogs Withoutdoubt!

Heute stieß ich zufällig auf das Copy-and-Paste-Blog Withoutdoubt!. Dessen Betreiberin (laut denic ist eine gewisse Claudia K. aus Reinbek bei Hamburg für die Inhalte der Domain verantwortlich) hat hier unter dem Pseudonym HappyNippon nicht nur diverse meiner Texte im Wortlaut übernommen und ohne Quellenangabe veröffentlicht, sondern auch Beiträge aus Die Rückseite der Reeperbahn, dem Hamburg vs. Berlin Blog, Fünf Filmfreunde, Mädchenblog und Spreeblick als die ihrigen ausgegeben.