Das Fort-Fort-Fort-Bleiben

Bereits am Sonntag blättere ich das erst am folgenden Tag erscheinende Nachrichtenmagazin durch. Wie so oft bin ich dabei eher gelangweilt. Dass dessen Leser mehr wissen, ist ein Werbespruch vergangener Zeiten.

Lediglich eine Randnotiz (diese) in der Kultur lässt mich aufmerken: Ein Gericht verbietet die Auslieferung eines Romans, weil sich jemand in einer Figur zu erkennen glaubte, und darauf hin einen Verkaufsstopp erwirkte. Bereits bei Billers Esra wähnte man ähnliche „Fälle“ auf uns zukommen. Die Leiden des Jungen Werthers und Buddenbrooks wären so nicht möglich gewesen. Auf welche Werke der Literatur hätten wir mit dieser Rechtsauffassung noch verzichten müssen?

Der Autor ist ein flüchtiger Bekannter. Vor Kurzem trafen wir uns am Rande eines Konzertes. Er erzählte von einer ersten Einladung zu einer Lesung in einer Provinzbuchhandlung und wir fragten uns, ob man danach denn wirklich zum Griechen gehen müsse. Die Frage ist nun erst einmal obsolet geworden. Das ist schade, auch weil man Fleischberge ja eigentlich mag.

Im Übrigen gehört dieses Weblog natürlich auch verboten.

Tschick

Außenseiter sein, bescheuerte Eltern haben, in Mädchen verlieben, nicht zur Party eingeladen werden, Freund finden, Bild malen, alten Lada klauen, Musik hören, Wegfahren, Abenteuer erleben, fast küssen, Himbeeren essen, angeschossen werden, Unfall bauen, verhaftet werden, Ärger kriegen, nach Hause kommen, in den Pool springen.

All das und noch viel mehr ist Tschick – ein Roman Wolfgang Herrndorf. Jeder, der das Buch gelesen hat, hat es gern getan und täte es jederzeit wieder. Ich auch.

Kein Tagebuch

Als der Strom weg war,
kamst Du zu mir,
und du sagtest: „Los komm, erklär mir
in den Liedern, die Du spielst,
ist immer weniger von Dir selber drin.“
„Stimmt genau,“ sag ich,
„die sind so, wie ich selber bin.“

(Blumfeld, Superstarfighter)

Und natürlich ist das, was ich hier täglich in dieses Internet schreibe, kein Tagebuch, sondern immer auch ein Stück weit Ausgedachtes. „Wieviel Autobiographisches steckt in diesem oder jenem Text?“, mag sich der Leser fragen, und ich antwortete „nichts“ oder „alles“. Aber das ist egal, denn der Klang der Worte ist oft wichtiger als ihre Bedeutung selbst.

Arschgesichterkonferenz

Soeben entdeckte ich diese Preziose des deutschen Kulturbetriebs: Die Vertonung eines Gedichts des wunderbaren Robert Gernhardts. Von einem spontan zusammengestellten Chor auf einer privaten Veranstaltung gesungen.

Vor einigen Jahren habe ich eine der letzten Lesungen Gernhardts in Hamburg besucht. Im Anschluss an die Veranstaltung in dem völlig überfüllten Buchladen in Colonnaden dauerte das Signieren der Bücher eine halbe Ewigkeit. Er schien sich sehr lange Zeit zu nehmen, seinen Namen in die Bücher zu schreiben. Erst als ich mein signiertes Exemplar in Empfang nahm, erkannte ich, warum es so lange dauerte: Der Dichter versah jeden Band mit einer kleinen Zeichnung. Mir malte er ein Schwein. Warum auch immer.

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(via dingsprozessor.de)