Alle “Wohne Orte”: hier.
Wohne Orte #21
- Beitragsautor Von bosch
- Veröffentlichungsdatum 8. Februar 2011
- 2 Kommentare zu Wohne Orte #21
- Schlagwörter Badezimmer, Energiesparlampe, Lampe, Licht, Wohne Orte
Alle “Wohne Orte”: hier.

„Ich möchte den Totenkopf des Mannes
streicheln, der die Ferien erfunden hat.“
Ich sitze in dem Café mit den großen Fensterscheiben, als eine Bekannte ihr kaputtes Fahrrad vorbeischiebt. Wir winken einander zu, sie kommt herein und setzt sich zu mir. Alsbald erzählt sie mir von den Vorzügen des Reisens: drei Wochen weilte die Bekannte gerade ohne Spanischkenntnisse allein in Kolumbien. Ein wenig bewundere ich sie für ihren Unternehmungsgeist.
Für mich spielte das Reisen nie eine besonders große Rolle: In meiner Kindheit war es aus familiären Gründen nicht möglich, später hat es sich mir nie wirklich erschlossen. Ganz im Gegenteil: Wenn ich ganz neu an einem Ort ankomme, verspüre ich so etwas wie einen Ortswechselschock – eine Art innere Unruhe. Diese hält in der Regel mehrere Tage an, bis ich mich mit meiner neuen Umgebung vertraut gemacht habe. Erst wenn ich weiß, wo es das Frühstück, einen guten Kaffee und eine Tageszeitung gibt, wie der öffentliche Nahverkehr am Urlaubsort funktioniert, oder wo ich einen Internetzugang habe, etc., kann ich langsam damit beginnen, mich ein wenig zu entspannen. Meistens ist dann aber der gebuchte Urlaub bereits wieder vorbei. Insbesondere Rundreisen wären für mich daher völlig undenkbar.
Die Bekannte fragt mich, wohin meine bislang weiteste Reise ging. Ich tue, als müsse ich nachdenken, dabei habe ich Europa nie verlassen: Vor vielen Jahren weilte ich einmal im Januar für zehn Tage auf Fuerteventura. Allerdings handelte es sich um eine eher unfreiwillige Reise zu einer Art Tagung.
„Fahr doch mal ein paar Tage weg, entspanne dich“, lautet häufiger der gutgemeinte Rat von Freunden. Aber was soll schon woanders anders sein – von der Räumlichen Umgebung einmal abgesehen? Ich kann das nicht; lieber bleibe ich ein paar Tage in Hamburg oder Berlin, vertrödele den Tag im vertraueten Umfeld, gehe dort frühstücken, wo es den besten Käse und den leckersten Cappuccino gibt, und anschließend vielleicht in eine Ausstellung. Alles Dinge, die ich an einem Urlaubsort womöglich auch täte – nur ohne ein gezwungenes Wegfahren um des Ortswechsels willen. Und vor allem ohne Ortswechselschock.
Nur sehr wenige Male hat man es in den letzten Jahren geschafft, mich zu einer Urlaubsreise zu bewegen: nach Rügen, Madeira und sogar nach Bayern. Erst einmal am Ziel angekommen, war es dann auch immer ganz schön. – Allerdings war dies sicher auch immer ein großes Stück weit der angenehmen vertrauten Begleitung geschuldet. (Selbst die reiselustige Bekannte gab zu, dass das Alleinreisen für sie kein Ideal sei.)
Warum diese langweilige Reisegeschichte aufschreibe? Das obige Foto habe ich zufällig gerade auf meinem Rechner wiedergefunden – ich wollte es gern veröffentlichen, aber nicht so ganz für sich allein stehen lassen.

„Das ganze Unglück der Menschen rührt
allein daher, dass sie nicht ruhig in
einem Zimmer zu bleiben vermögen.“
(Blaise Pascal)
Ein Club irgendwo in Berlin, elektronische Musik: Tanzende Menschen interessieren ihn immer weniger. – Selbst Frauen (mit Brüsten). Überhaupt Menschen. Auch schlimm zu diesen Anlässen: Gespräche.
Sie: „Und was machst du so? Also, ich meine tagsüber. Als Job?“
Er: „Was mit Beratung.“
Sie: „Ah toll, ich auch. Ist ja spannend. Erzähl doch mal. Was genau
berätst du denn so?“ (Sie reißt ihre Augen so weit wie möglich auf.)
Er: „Kommunikation.“
Sie: „Oh, das merkt man gar nicht.“ (Sie kichert.)
Er: „Mhh.“

„Alles ist richtig, auch das Gegenteil.
Nur »zwar – aber«, das ist nie richtig.“
transmediale.11, eine Außeninstallation hinter der Kongresshalle: Vierzehn Bäumchen in stoffumhüllten Kübeln, drei Hydrantenhinweisschilder, ein Klappfenster, gegenüber die Spree. Mehr nicht.
„Der japanische Aktionskünstler Bons-Ai Wax experimentiert bereits seit Ende der siebziger Jahre mit floralen Elementen im urbanen Raum. Für sein neuestes Werk »2 x 7 Zwerge« nimmt er Bezug auf das Brüder-Grimm-Märchen »Schneewittchen« unter Berücksichtigung der zentralisierten Wasserversorgung der Großstadt“, so der Katalog zur Ausstellung. „Das Wasser symbolisiert nicht nur die Quelle allen Lebens, sondern führt zwangsläufig zu einem unkontrollierten Wuchern der Pflanzen, das mittels Zeitrafferkamera stündlich festgehalten wird. Einerseits werden die strengen Gestaltungsrichtlinen der asiatischen Gartenbaukunst gesprengt, andererseits werden Aspekte des Grimm-Märchens durch die ebenhölzernen Baumstämme formal aufgegriffen. Allen Widersprüchen zum Trotz unterstreicht die gegenüberliegende Spree, dass alles im Fluss ist (vgl. Heraklit). Die filmische Umsetzung dieses radikalen Langzeitprojekts wird erstmals auf der Berlinale 2011 als Slow-Motion-Film in umgekehrter Reihenfolge einem breiteren Publikum vorgestellt. Im Anschluss wird die Dokumentation im Rahmen der Weiterbildung von japanischen Gartenbaumeistern ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt.“
Vielleicht ist es aber auch ganz anders.