Königlicher Grill

Was uns als Größenwahn erscheint,
ist nicht immer eine Geisteskrankheit.
Oft genug ist es nur die Maske eines Menschen,
der an sich verzweifelt.

(Arthur Schnitzler)

Königlicher Grill, Champagner als Aperitif, Berliner Größenwahn als Hauptgang. Dazu zartes Fleisch, Streichholzkartoffeln und Wein. „Capitalism kills love“ blinkt in großen Lettern an der Außenwand und es ist nicht einmal ironisch gemeint. Gut sichtbar am Eingang plaziert sitzen Stuckrad und Ulmen. Letzterer besucht auffällig oft die Toilette und geht dorthin stets eine auslandende Runde durch das gesamte Lokal. Gesehen werden und gesehen werden. Der Gedanke, dass sie dafür bezahlt werden. Das Schöne an Klischees ist, dass sie meistens stimmen. Wo ist eigentlich Uslar? Zum Abgang das Herrengedeck „Deutschboden“: Ein Buch, ein Bier, ein Korn. Eigentlich will man das alles hier ablehnen, aber dafür ist es leider zu gut.

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Dieser Abend fand mit freundlicher Unterstützung von compuccino statt. Danke.

Phänomenologie des Bananentresors

Viele Jahre später sollte Bruno feststellen, daß die Welt
der Kleinbürger, die Welt der Angestellten und mittleren
Beamten toleranter, liebenswürdiger und aufgeschlossener ist
als die Welt der Aussteiger, der am Rande der Gesellschaft lebenden
jungen Leute, die damals durch die Hippies verkörpert wurden.

(Michel Houellebecq, Elementarteilchen)

Dinge, die ich grundsätzlich ablehne: Reisen, Einkaufen und – mit Einschränkungen – Obst. Wo all dies zusammenkommt, ist ein Fachgeschäft für Außerhausüberlebensausrüstungen in Hamburg-Barmbek. In diesem kann ein jeder in Kältekammern die passende Bekleidung für seine Expedition in die Ostantarktis genauso testen wie die Wasserfestigkeit von Regenjacken für eine Städtereise nach London unter einem künstlichen Wasserfall.

Der bei weitem nützlichste Gegenstand, den ich in diesem Laden entdecken konnte, ist der Bananentresor. Einst hielt man die Bananenschale hinsichtlich ihrer Schutzfunktion für die weiche Frucht für eine geniale Einrichtung der Natur – ein Trugschluss. Denn welcher Reisende kennt das Problem nicht? Da reist man, bepackt mit seinem schweren Rucksack, durch den nahen Osten und würde gern eine Banane essen. Sobald der Appetit auf die fruchtige Köstlichkeit aufkommt, stellt man fest, dass diese regelmäßig von den sich im Gepäck befindlichen Reiseführern „mit den bewährten reisepraktischen Infos und in der gewohnt lockeren Art“ zu Mus gemacht wird. (Heute erledigen das bücherersetzende elektronische Endgeräte.)

Das muss nicht so sein, denn heute gibt es Bananentresore. Ein praktischer gekrümmter Transportbehälter aus Kunststoff im fruchtigen gelb sorgt fortan für einen sicheren Transport der Musa. Das ist eine gute Sache, freut sich der Bananenfreund, und glaubt, dass damit all seine Probleme gelöst seien. Doch das ist weit gefehlt. Zwar hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die EU-Bananenverordnung den Krümmungsgrad von zu importierenden Bananen vorgebe, jedoch ist dies zum Leidwesen aller Banenentresorbesitzer nicht der Fall. Vielmehr ist lediglich eine Länge von mindestens 14 cm und eine Dicke von 27 mm vorgeschrieben.

Wie viele Mitfahrgelegenheiten, Züge und Flüge verpasst wurden, weil sich die Suche nach der in den Tresor passenden Banane weitaus schwieriger gestaltete als gedacht, ist bislang nicht bekannt. Der Verband bananentresorbesitzender Fruchtfreunde e.V. hat jedoch bereits eine Petition zur verbindlichen Reglementierung des Krümmungsgrades an die EU gerichtet.

Wohne Orte #26

Alle “Wohne Orte”: hier.

Kleine Theorie der Baustelle

Spät nachts durch dieses Berlin schlendernd erläutere ich meiner Begleitung meine kleine Theorie der Baustelle: Wer sich zu dieser Stunde hinter einem Bauzaun aufhält und keinen scharfen Hund an der kurzen Leine führt, ist kein mit dem Objektschutz bauftragter Mitarbeiter, sondern entwendet widerrechtlich Baumaschinen und -material.

Um den Beweis anzutreten, rüttle ich mutig an einem Bauzaun, um den dahinter befindlichen Mann zu uns zu bitten. „Was machen Sie da?“, frage ich ihn. Er scheint nicht sonderlich verwundert von meiner Auskunftsbitte zu sein, und antwortet höflich, dass er die Baustelle bewache. Es werde viel geklaut und randaliert etc. „Und wo ist Ihr Hund?“, bohre ich kritisch nach. „Ich habe keinen und ich brauche keinen“, sagt er. Daraufhin weihe ich ihn in meine Theorie ein, was den Sicherheitsmann ein wenig zu amüsieren scheint. Ich möchte wissen, ob es für ihn so ganz ohne Vierbeiner, mit dem man des Nachts sprechen könne, nicht äußerst langweilig sei, so die ganze Zeit allein um den Rohbau zu marschieren. „Ich schreibe Gedichte“, entgegnet er mir, was wiederum mich in ein mittleres Entzücken versetzt. Ein Wachmann, der Gedichte schreibt, bringt meine Theorie ins Wanken, denn naturgemäß kann man keinen bissigen Hund festhalten, während man feinste Gedanken in einem Notizbuch niederschreibt.

Zu gern hätte ich vor dem Bauzaun noch ein Stück Wachdienstlyrik gehört, allerdings konnte sich der Objektschützer nicht durchringen, aus seinem Werk zu rezitieren. Möglicherweise dichtet er gar nicht – so wie es auch nicht mein Beruf ist, im Puff Klavier zu spielen, was ich es lästigen Nachfragern gegenüber gelegentlich behaupte. Beiderseits ein wenig erfreut von diesem kurzen Gespräch wünschen wir einander eine gute Nacht. Er dreht seine Runden, wir ziehen weiter: Mit dem Gedanken, dass auch meine kleine Theorie demnächst in Verse gegossen werden könnte.

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