Hello It’s Me

„I’m sorry that I doubted your good heart
things always seem to end before they start.“
(Lou Reed, Hello It’s Me)

Im April 1990 erschien das Album „Songs for Drella“ eine Hommage an Andy Warhol. Seit 1972 hatten John Cale und Lou Reed, beide ehemalige Mitglieder von The Velvet Underground keine Musik mehr zusammen gemacht und nun dieses wunderbare Konzeptalbum.

Irgendwann im Leben verändert sich die Musik, die man mag, wohl nicht mehr allzu stark. Damals allerdings war ich noch sehr auf der Suche. In der städtischen Bücherei konnte man die aktuellen Ausgaben des Musikexpress und der Rolling Stone einsehen, wovon ich ausgiebig Gebrauch machte. Der örtliche Plattenhändler hieß „Zapp Records“ und der Verkäufer Elvis. Er machte einen zumeist zugedröhnten Eindruck und wie alle Plattenhändler schien er nicht seinen Job, wohl aber seine Kunden zu hassen. Bestellungen nahm er nur widerwillig entgegen, umso größer war die Freude, wenn ein gesuchtes Album tatsächlich einmal verfügbar war: so auch in diesem Falle.

Obwohl lediglich eine vage Ahnung von Warhol und der Factory hatte, habe ich diese Platte damals rauf und runter gehört: melancholisch und poetisch ist das Werk; eine Geige ist dabei, aber trotzdem kein Kitsch. Besonders geliebt habe ich „Hello It’s Me“. Soeben zufällig wiederentdeckt, bekomme ich noch immer eine Gänsehaut, wenn ich dieses Stück höre. Damals habe ich mir vorgestellt, dass das Lied einmal auf meiner Beerdigung gespielt werden solle. Einige Teilnahmen später glaube ich jedoch, dass Musik aus der Konserve die Stimmung bei derartigen Anlässen auch nicht sonderlich hebt.

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Dies ist ein Beitrag aus meiner Serie “Der Soundtrack meines Lebens”. Weitere Beiträge dazu finden sich hier.

Katalysator

Vor einem Jahr: eine ausgelassene Weihnachtsfeier mit allen Klischees. Die üblichen Gesellschaftsspielchen und Menschen, die zuvor einander nicht sonderlich verbunden waren, kommen sich unter Einfluss von Alkohol plötzlich näher. Ein Katalysator ist ein Stoff, der die Reaktionsbeschleunigung positiv beeinflusst. Ich mochte sie von Anfang an. Wir waren beide schon etwas betrunken und küssten uns in einer Abstellkammer. Obwohl bereits den ganzen Abend eine gewisse Spannung zwischen uns in der Luft lag, kam es dazu recht unvermittelt. Fast etwas schüchtern, aber sehr schön war es. Später werde ich ihr sagen, sie hätte mich in die Kammer hineingezogen, dabei habe ich sie natürlich auch ein bißchen geschubst. Häufig gingen wir danach miteinander im tiefsten Schnee spazieren. Vier Wochen später küssten wir uns noch einmal, dann kam alles anders.

Kurt Tucholsky: Augen in der Großstadt

Augen in der Großstadt

Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? vielleicht dein Lebensglück…
vorbei, verweht, nie wieder.

Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang, die
dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hast’s gefunden,
nur für Sekunden…
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück…
Vorbei, verweht, nie wieder.

Du mußt auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Er sieht hinüber
und zieht vorüber …
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das?
Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.

(Kurt Tucholsky)

The Straight Story

Dieser Film hat alles, was ein guter Film braucht: eine entschleunigte Geschichte, weite Landschaften, wortkarge Menschen und einen Aufsitzrasenmäher.

Mehr als zehn Jahre brauchte es, bis „The Straigh Story“ von David Lynch zu mir fand. Ich bin froh, dass er es geschafft hat.