Sonntag

Everyday is like sunday.
Everyday is silent and grey.

(Morrissey)

Man kann Wohnungen verlassen. An Wochenenden. Aber man muss nicht. Wenn es sonntags regnet, ist es nicht so schlimm. Der unterschwellige Zwang, vor die Tür gehen zu müssen, nur weil diese Sonne versehentlich einmal scheint, ist indes viel schwerer zu ertragen. Man geht dann eine Runde um dem Block und sogleich ärgert man sich über sich selbst, weil man ja bereits vorher wusste, nichts zu verpassen, wenn man nur liegen geblieben wäre.

Dann irgendwas lesen, irgendwas hören, irgendwas denken, irgendwas trinken. Lauter unnützes Zeug. Am Abend nicht einschlafen können und am nächsten morgen nicht aufstehen wollen.

Schwalbe

Das Sammelalbum aus dem letzten Jahr nicht voll bekommen und trotzdem schon wieder eine Fußball-WM im Lande. Die Stimmung ist eine ganz andere als damals. Wer nicht aufmerksam genug ist, bemerkt gar nicht, dass ein Turnier stattfindet: Keine Deutschland-Flaggen an Autotüren, keine Vuvuzelas.

Und ehe man sich versieht, sind die Schwalben weitergezogen.

Bürotiere

„Die Tiere sind unruhig.“
(Rolf Dieter Brinkmann, Wörter Sex Schnitt.)

Eine Gruppe in dem Büro in der Kreuzberger Fabriketage pflegt Stofftiere um sich zu scharen. Nicht wenige dieser Tiere geben auf Druck oder Handzeichen Geräusche von sich. Das tun sie oft und und genau so oft strapazieren sie unsere Nerven. Trotzdem mögen wir sie. Irgendwie.

Rolf Dieter Brinkmann: Alles macht weiter

In diesem Haus in Köln wohnte einst der Dichter Rolf Dieter Brinkmann.

Die Geschichtenerzähler machen weiter, die Autoindustrie macht weiter, die Arbeiter machen weiter, die Regierungen machen weiter, die Rock’n’Roll-Sänger machen weiter, die Preise machen weiter, das Papier macht weiter, die Tiere und Bäume machen weiter, Tag und Nacht macht weiter, der Mond geht auf, die Sonne geht auf, die Augen gehen auf, Türen gehen auf, der Mund geht auf, man spricht, man macht Zeichen, Zeichen an den Häuserwänden, Zeichen auf der Straße, Zeichen in den Maschinen, die bewegt werden, Bewegungen in den Zimmern, durch eine Wohnung, wenn niemand außer einem selbst da ist, Wind weht altes Zeitungspapier über einen leeren grauen Parkplatz, wilde Gebüsche und Gras wachsen in den liegengelassenen Trümmergrundstücken, mitten in der Innenstadt, ein Bauzaun ist blau gestrichen, an den Bauzaun ist ein Schild genagelt, Plakate ankleben Verboten, die Plakate, Bauzäune und Verbote machen weiter, die Fahrstühle machen weiter, die Häuserwände machen weiter, die Innenstadt macht weiter, die Vorstädte machen weiter … Auch alle Fragen machen weiter, wie alle Antworten weitermachen. Der Raum macht weiter. Ich mache die Augen auf und sehe auf ein weißes Stück Papier.

Rolf Dieter Brinkmann, Westwärts 1 & 2, 1975

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